Bayerisches Nationalmuseum

Eine Ausstellung über Hunde in der Prinzregentenstraße


Thomas Theodor Heine: Hundeinvasion im Café Luitpold, München, 1894

Thomas Theodor Heine: Hundeinvasion im Café Luitpold, München, 1894

Von Robert Braunmüller / TV/Medien

Hunde sind die besseren Menschen - und nun verhelfen sie dem Nationalmuseum auch noch zu einer äußerst unterhaltsamen Ausstellung.

Darf's ein Napf mit Glitzersteinchen sein? Und vielleicht noch ein Samthalsband mit goldenen Initialen? Für den besten aller Freunde ist nichts zu teuer und kein Aufwand zu hoch. Ein Hundeleben kann fürstlich ausfallen - etwa als Mops des Grafen Brühl.

Johann Joachim Kaendler, der kreativste unter den Meißner Porzellandesignern, musste im Winter 1743 auf Schloss Hubertusburg antanzen, um das vornehm auf einem Kissen thronende Tier "nach dem Leben" zu modellieren. Heinrich von Brühl, der neben August III. mächtigste Mann im Königreich Sachsen, wurde sofort schwach, wenn es um seinen "Mopßhund" ging. Und er war damit keineswegs allein.

Zum einen wurden die Vierbeiner mit ihren zu kurz geratenen Schnauzen im 18. Jahrhundert zum Lieblingstier der Adligen und Reichen - auch heute stehen Möpse wieder hoch im Kurs. Zum anderen sind besonders die unnahbaren Zeitgenossen vor der innigen Hundeliebe nicht gefeit.

Treue Freunde

Im Gegenteil. Gerade dort, wo undurchlässige Hierarchien und kühle Distanziertheit herrschen, spazieren Terrier, Weimaraner, Corgis und Malteser direkt und erhobenen Hauptes in die intimsten Gemächer, und sei es von Kaisern und Königen, von der Queen oder Sisi von Österreich. Und wer anfängt, in der Geschichte der Kunst nach Hunden zu fahnden, merkt schnell, dass mit Skulpturen, Gemälden, Grafik, Fotografie oder Porzellan problemlos mehrere Ausstellungen zu machen sind. Ganz zu schweigen, wenn Comics, Karikaturen, Spielzeug und Alltagsgegenstände dazu kommen.

Auch im Bayerischen Nationalmuseum hätten Direktor Frank Matthias Kammel und sein Co-Kurator Raphael Beuing locker ein paar Säle mehr füllen können, dabei ist die Schau "Treue Freunde" mit ihren 220 teils wild kombinierten Objekten eh schon die schiere Wucht. Und es hätte beim überaus populären Thema "Hunde und Menschen" noch nicht einmal einen Aufhänger gebraucht. Doch wir sind in München, und nicht weit vom Museumsbau an der Prinzregentenstraße ging Thomas Mann mit seinem Bauschan öfters Gassi, das heißt, die Isar entlang oder durch den Herzogpark.

Groß wie Kälber

Wichtiger aber ist die Tatsache, dass dieser Mischling Eingang in die hohe Literatur gefunden hat: Vor genau hundert Jahren, im Herbst 1919, erschien Manns längste Erzählung "Herr und Hund". Sie sei die "schönste Schilderung der Hundeseele" schwärmte Konrad Lorenz. Der Wiener Verhaltensforscher hat überhaupt gerne von der "Menschenähnlichkeit des Hundes" und von dessen dauernder Liebesbedürftigkeit gesprochen.

Wer dringend geschätzt werden will, jagt jedem Stöckchen nach und kuschelt bei entsprechendem Umfang auch brav auf dem Schoß von Damen und am Schienbein der Herren. Die Jüngste in der Schau, Prinzessin Elisabeth Auguste Sofie von der Pfalz, ist noch ein pausbäckiges Baby und tätschelt passend einen Zwergspaniel (1695).

Rassehunde unterstreichen die Noblesse, und sind sie furchteinflößend und groß wie Kälber, kommt die Macht ins Spiel, etwa bei Karl V., porträtiert von Tizian oder Jakob Seisenegger (Entsprechendes muss in der Ausstellung mit allzu kurzer Vorlaufzeit leider fehlen).

Selbst beim Reichskanzler Otto von Bismarck - auch so ein Hundeliebhaber - blieb man besser auf Distanz, wenn seine Doggen Tyras II und Rebecca um ihn waren (Fotografie von 1891). Und über hundert Jahre später, 2007, ließ Wladimir Putin seinen Labrador Konni um die Beine einer ängstlich blickenden Angela Merkel streichen. Russlands Staatschef wusste natürlich, dass sein Gegenüber beim Radeln von einem Hund gebissen wurde.

Liebe bis in den Tod

In diesem Fall würde die Bundeskanzlerin vermutlich einen Holz-Bullterrier bevorzugen, wie ihn der Künstler Gerd Rohling 1991 durch einen Reif springen lässt. Der ansonsten wenig Vertrauen einflößende Begleiter der Underdogs bleibt hier zwangsläufig so zahm wie die Pudel, die Fürstin Gracia Patricia von Monaco bei Cartier fürs Revers fertigen ließ. Vor lauter Diamanten, Gold und Perlen könnten die preziösen Viecher sowieso nicht zuschnappen.

Neben einem kleinen bösen Abstecher zu Hundetalgtopf und Nutztierquälerei geht es aber vor allem um die guten Gefährten, die an der Seite des Menschen durch Dick und Dünn tappen, die ihre Bezugsperson nach Jahrzehnten der Abwesenheit wiedererkennen, wie es Odysseus bei der Heimkehr widerfuhr, oder sogar in den Tod folgen.

Man kennt die Geschichten von verendeten Hunden, die neben den sterblichen Überresten ihrer Halter gefunden werden. Um diese Anhänglichkeit wussten auch die mittelalterlichen Bildhauer, die auf Grabplatten immer mal Hunde zu Füßen des dargestellten Verstorbenen platzierten. In abgewandelter Form hat Xenia Hausner dieses Motiv übernommen: Nach dem Tod ihres Vaters Rudolf Hausner, des bekanntesten Vertreters der Wiener Schule des Phantastischen Realismus, inszenierte die Künstlerin dessen Ableben für ein riesiges Gemälde. Der Schauspieler Peter Simonischek "lag" Modell inmitten eines knallbunten Interieurs. Ihre Schwester Tanja setzte Hausner trauernd vor den Sterbenden, auf dessen Füßen schließlich ein alle überragender Schäferhund sein Herrchen mustert.

Der Hund bleibt

"Liebestod" lautet der mehrdeutige Titel dieser bühnenreifen Komposition, und man denkt unwillkürlich an den "Tristan". In Gottfried von Straßburgs Versroman bleibt ein Hündchen bei Isolde, das die Treue des toten Geliebten symbolisiert. Man darf hier aber genauso Richard Wagner bemühen, der am Bildtitel sicher Gefallen gefunden hätte. Der "Tristan"-Komponist war selbst hundenarrisch, und in Bayreuth "ruht und wacht" sein Neufundländer Russ hinter der Villa Wahnfried am Grab, respektive unter der Erde.

Denn egal wie tief der Mensch sinkt, bleibt der Hund an seiner Seite. Das beschert dieser Ausstellung übrigens ein paar Bilder aus dem wahren, selten goldglitzernden Leben - unter anderem von einer Obdachlosen. Auch damit öffnet sich dieses teils luxuriös sanierte, aber doch aus der Zeit gerutschte Haus.

"Treue Freunde. Hunde und Menschen" bis 19. April 2020, Di bis So von 10 bis 17, Do bis 20 Uhr, Nationalmuseum, Prinzregentenstraße 3; Katalog (Deutscher Kunstverlag, 320 Seiten, 262 Abb., im Museum 25 Euro)