Kultur
Ein Knockout für den Meister aus Salzburg
17. Januar 2023, 16:55 Uhr aktualisiert am 17. Januar 2023, 16:55 Uhr
Mozart wird tagein, tagaus so oft gelobt, da kann die Welt schon einmal ein Geständnis vertragen: Wenn seine Linzer Sinfonie mit Haydn gerahmt wird, strahlt sie zwar hübsch festlich mit Pauken und Trompeten in C-Dur. Das bleibt aber überraschend wie eine Rokokokirche in Oberbayern. Joseph Haydns Sinfonie Nr. 84 bot da am Anfang des Abends mit ihren Überraschungen und frappierenden Wendungen die interessantere Musik. Und das ist eine der her unbekannten Werke dieses leider unterschätzten und fast immer unter Wert verkauften Komponisten.
John Eliot Gardiner und die English Baroque Soloists bestärkten diesen Eindruck. Denn sie ließen bei ihrem Gastspiel in der Isarphilharmonie auf die Linzer ausgerechnet das Finale aus Haydns Sinfonie Nr. 60 ("Il Distratto") folgen. Die beginnt pompös, bricht aber nach wenigen Takten ab, um die Streicher ihre Instrumente stimmen zu lassen. Dann folgen eine slawische Melodie und ein offener Schluss, den Mozart in einer Sinfonie nie riskiert hätte. Gardiner gab er die Gelegenheit, die Musiker von der Bühne der Isarphilharmonie zu scheuchen.
Dabei sind Gardiners Musiker großartige Mozart-Interpreten. Nichts plätschert, alles atmet und entsteht aus dem Moment heraus. Im Unterschied zu anderen Kammerorchestern spielen die English Baroque Soloists auch nicht über dynamische Gegensätze hinweg: Sie verstehen Piano und Forte als Ausdruckswert.
Die Sinfonia concertante KV 364 geriet dagegen konventioneller. Isabell Faust (Violine) und Antoine Tamestit (Bratsche) vereinten sich zu einer herben Über-Geige. Aber ist es nicht eine Schubertisierung Mozarts, wenn sich das Andante in ein weltschmerzliches Adagio verwandelt und aus der Kadenz - die doch vor allem virtuos gemeint ist - ein Doppelmonolog zweier Beckett-Figuren wird?
Als Zugabe spielten die Solisten ein Stück des barocken französischen Gambisten Monsieur de Sainte-Colombe. Das Beste kam zuerst: Haydns Sinfonie Nr. 84. Es ist aufregend, wie da in einer Wiederholung plötzlich das Thema von einer Flöte gefärbt wird. Der zweite Satz scheint schon zu Ende zu sein, dann folgen noch ein längeres Nachspiel der Bläser und ein unvorhersehbarer Schluss.
Und so weiter und so fort. Gardiner und seine Leute gingen Haydn - gemessen an ihren eigenen Maßstäben - zu behäbig an. Immerhin aber weniger behäbig wie 99 Prozent aller anderen Musiker. Deswegen, so leid es uns auch tut: Das Konzert war ein K.-o. für Mozart. Möge er sich bald davon erholen!