Salzburger Festspiele

Der Klima-"Idomeneo" frei nach Mozart von Peter Sellars


Mozarts "Idomeneo" in der Felsenreitschule.

Mozarts "Idomeneo" in der Felsenreitschule.

Von Robert Braunmüller / TV/Medien

Peter Sellars inszeniert in der Felsenreitschule Mozarts "Idomeneo" als Klima-Weihespiel

War Mozart nicht erst aufgeklärter Katholik und zuletzt Freimaurer? Keineswegs, so die aktuellste Erkenntnis aus seiner Geburtsstadt. Im Quartett seiner Oper "Idomeneo" habe er die buddhistische Lehre der Vier edlen Wahrheiten über das Leiden in Musik gesetzt, weiß der Regisseur Peter Sellars im Programmheft der Neuinszenierung zu berichten, mit der am Samstag die Salzburger Festspiele eröffnet wurden.

Seiner lahmen Regie hilft das nicht. Auf der Bühne der Felsenreitschule bewegen sich beim Quartett vier Sänger im Kreis. Auch sonst ereignet sich die Deutung mehr auf dem Papier der von Sellars verfassten Inhaltsangabe, die Mozart angestrengt mit dem Klimawandel zusammenbringt.

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Mozarts "Idomeneo" in der Felsenreitschule.

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Mozarts "Idomeneo" in der Felsenreitschule.

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Mozarts "Idomeneo" in der Felsenreitschule.

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Mozarts "Idomeneo" in der Felsenreitschule.

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Mozarts "Idomeneo" in der Felsenreitschule.

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Mozarts "Idomeneo" in der Felsenreitschule.

Stehtheater mit betenden Händen

Die Bühne (George Tsypin) beherrschen gläserne Objekte, die vom Chor ein wenig herumgeräumt werden. Sie erinnern an Einzeller, tatsächlich handelt es sich aber wohl um das Meer verschmutzenden Plastikmüll in festspielgemäßer Ästhetisierung. Irgendwann hängen sie über den Darstellern, die der ansteigende Meeresspiegel hat ersaufen lassen.

Die zeremoniellen Szenen von Mozarts Oper bleiben Stehtheater mit betenden Händen. Wenn der Blutdruck bei Idomeneo und Elettra steigt, blinken rote oder blaue Lämpchen. Einmal muss ein Sanitäter der Atridentochter beispringen. An den frappierenden politisch-psychologischen Realismus früherer Händel- oder Mozart-Deutungen des amerikanischen Regisseurs reicht diese Inszenierung auch nicht nur entfernt heran.

Im Orchestergraben geht es aufregender zu. Teodor Currentzis holt mit dem Freiburger Barockorchester den Sturm und Drang der Partitur heraus. Er peitscht die Musik allerdings längst nicht so exaltiert auf wie vor zwei Jahren in "La clemenza di Tito". Leider zahlt sich das nicht wirklich aus: Die für ein fein spielendes Orginalklangorchester viel zu große Felsenreitschule dimmt jedes Forte auf Zimmerlautstärke herunter, was den Chorszenen schlecht bekommt.

Rettung kommt aus der Südsee

Die Sänger bleiben unauffällig. Sie wirken mehr auf Internationalität und Typ besetzt. Russell Thomas war schon vor zwei Jahren ein allenfalls mittelprächtiger Titus, nun singt er mit vergleichbar mäßigem Stilgefühl den Idomeneo. Die Kavatine mit Chor buchstabiert er nur herunter. Paula Murrihy darf als Idamante vor der Beinahe-Opferung noch die Konzertarie KV 505 mit obligatem Hammerklavier singen, was sie recht ordentlich macht, Nicole Chevalier stellt Elettras Exaltation vor allem in der letzten Arie sehr eindrucksvoll dar, ihrem Gesang fehlt aber der dramatische Überschuss.

Die Secco-Rezitative sind gestrichen, dafür wird der von Mozart selbstkritisch gekürzte Orakelspruch in voller, lähmender Länge gegeben. In der Sturm-Szene mit dem Fernchor weht wegen der zu kleinen Besetzung des musicAeterna-Chors aus Perm nur ein laues Lüftchen, dafür erscheint eine große Masse, um vor dem zweiten Teil "Ihr Kinder des Staubes" aus Mozarts "Thamos"-Musik zu singen.

Der Schluss rettet den Abend. Zur Ballettmusik erscheinen eine Tänzerin und ein Tänzer aus der Südsee. Ihr Auftritt ist von hoher Würde und kontrastiert in seiner Schlichtheit den festlichen Pomp der Musik.

Dann wird die böse Elettra wieder in die Menschheit aufgenommen - wie früher Beckmesser in den "Meistersingern". Der Rest ist Klimawandel-Kitsch, esoterisches Bühnenweihefestspiel und viel Selbstwiederholung des Regisseurs, der früher wirklich gut war.

Wieder am 2., 6., 9., 12., 15. und 19. August in der Felsenreitschule. Am 15. August zeigt Servus TV um 21.15 Uhr eine Aufzeichnung