Kultur

Dem Unbekannten öffnen

Joseph Bastians erstes Konzert als designierter Chefdirigent der Münchner Symphoniker


Der Dirigent Joseph Bastian spielte früher als Posaunist im BR-Symphonieorchester.

Der Dirigent Joseph Bastian spielte früher als Posaunist im BR-Symphonieorchester.

Von Robert Braunmüller

Es gehört ein gewisser Mut dazu, angesichts der zahlreichen herausragenden Münchner Schostakowitsch-Aufführungen des vergangenen Jahrzehnts ausgerechnet mit diesem Komponisten anzutreten - zumal bei einem mit dieser Musik eher unerfahrenen Orchester. Joseph Bastian, der designierte Chefdirigent und künstlerische Leiter der Münchner Symphoniker, hat es gewagt und weitgehend gewonnen. Was sowohl für ihn wie auch für sein künftiges Orchester spricht, das sich in den letzten Jahren verjüngt und an Wendigkeit gewonnen hat.

Bastian dirigierte im Prinzregententheater die neoklassizistisch-frische, allzu lustig auf das Ende des Zweiten Weltkriegs reagierende Neunte aus dem Jahr 1945. Im einseitig straff und rasch durchgezogenen Kopfsatz konnten beim Wechsel der Charaktere Momente der Doppelbödigkeit vermisst werden. Allerdings setzte der Dirigent jenseits des klagenden Fagott-Solos kurz vor Schluss mehr auf die blank geputzte Oberfläche. Was seine Berechtigung hat: Bekenntnishafte Aufführungen dieser Musik gibt es mehr als genug.

Bemerkenswert war vor allem der Kontext, in den Schostakowitsch hier gestellt wird. Einen untergründigen Zusammenhang der Symphonie mit dem Kriegsende stellte Aaron Coplands fast gleichzeitig entstandenes Stück "Letter from Home" her: ein hübsches, helles Stück mit Klarinetten-Solo, das einen US-Soldaten darstellen soll, der einen Brief aus der Heimat liest.

Vor der Pause standen vom Jazz beeinflusste Werke wie die unverdient selten gespielte "Suite für Kammerorchester" von Erwin Schulhoff, die ein für das Entstehungsjahr 1921 bemerkenswertes Schlagzeugsolo enthält. Der akademische Jazz von Nikolai Kapustins einsätzigem Klavierkonzert Nr. 4 mag ebenso Geschmackssache sein wie die Reduktion des Orchesters zu einem bloßen Hintergrund. als reinem Begleitteppich. Der lustvoll-energiegeladene Schwung der beiden Solisten Frank Dupree (Klavier) und Meinhard Jenne (Drumset) spülten aber alle Bedenken hinweg.

Das Publikum stand mehr oder weniger Kopf. Tatsächlich könnte es ein Markenzeichen der Münchner Symphoniker werden, weniger Standardwerke zu spielen und sich mehr dem Unbekannten und seltener Gespielten zu öffnen - was die örtlichen Platzhirsche scheuen.

Schon unter Bastians Vorgänger Kevin John Edusei gab es dazu bemerkenswerte Ansätze, die sich ausbauen lassen. Dieses Konzert zeigte jedenfalls, was mit Fantasie und Wagemut mit diesem immer etwas unterschätzen Orchester alles möglich wäre.

Infos zur kommenden Saison unter muenchner-symphoniker.de