AZ-Filmkritik
"Creed II: Rocky’s Legacy": Der Stellvertreterkampf
24. Januar 2019, 12:58 Uhr aktualisiert am 24. Januar 2019, 12:58 Uhr
Rocky kämpft als Trainer wieder gegen Ivan Drago, der seinen Sohn in den Ring schickt.
Über 43 Jahre und acht Filme erstreckt sich inzwischen die "Rocky"- Saga. Ihr Erfolgsprinzip hängt weniger mit der Faszination des Boxsports als vielmehr mit der Qualität von ernstzunehmenden Familiendramen zusammen.
Der Verlauf der Geschichte mit all seinen Triumphen und Niederlagen mag dabei vorhersehbar sein, aber die steten Wirkungstreffer ins Herz, das Mitfiebern mit den charakterstarken Figuren macht die cineastische Reise auch bei "Creed II: Rocky's Legacy" zu einem Ereignis. Leider nicht mehr an Bord ist "Black Panther"-Regisseur Ryan Coogler, dem es in "Creed" so einfühlsam gelang Sylvester Stallones Ur-"Rocky" als Aufsteigergeschichte eines jungen Afroamerikaners neu zu erzählen.
Rockys Rivale will die späte Revanche
Doch auch sein junger Nachfolger Steven Caple Jr. verfügt mit seiner Fortführung des "Rocky IV"-Themas über einen "Lucky Punch". Die Schlacht von Rocky und der russischen Kampfmaschine Ivan Drago (Dolph Lundgren) atmete 1985 noch den Geist des Kalten Krieges und dem patriotischen Selbstwertgefühl der Ronald-Reagan-Ära. Über 30 Jahre später erleben wir einen völlig veränderten Drago, der nach seiner Niederlage gegen Rocky auch menschlich K.O. ging.
Ausgerechnet in der Ukraine trainiert der einstige russische Vorzeigeathlet und nun Fallengelassene und von der Frau Verlassene wie besessen seinen Sohn Viktor (Florian Munteanu). Sein Ziel: Rockys Ziehsohn Adonis (Michael B. Jordan), mittlerweile Box-Weltmeister, so geschickt zu provozieren, dass Viktor endlich das im Ring erreichen kann, was ihm verwährt blieb.
Stallone überzeugt mit Altersmilde
Eine Mission, die trotz aller Einwände von Rocky aufgeht, weil Ivan Drago einst Apollo, den besten Freund von Rocky und Vater von Adonis, im Ring zu Tode prügelte. Dass der in seinem Herzen getroffene, stolze Adonis den unnötigen Kampf dann fast verliert und in eine tiefe Sinnkrise stürzt überrascht dabei genauso wenig wie die Rückkehr von Rocky an seine Seite beim Showdown in Moskau. Und dennoch rührt "Creed II" an, erzeugt eine innere Spannung, weil sich auch Nicht-Boxfans mit diesen körperlich perfekten, aber seelisch fragilen Figuren identifizieren können.
Großen Anteil daran haben die herausragenden Darsteller. Der sanfte, altersmilde Stallone wohl ein letztes Mal in seiner Paraderolle, ein überraschend differenzierter Lundgren als sein einstiger Intimfeind und besonders Hollywoods famose junge Garde: Gerade Jordan glänzt als vom Weg abgekommener Sportstar, der als junger Vater und Medienliebling überfordert scheint und sich zunehmend von seiner Frau, der fast tauben Sängerin Bianca (Tessa Thompson) entfremdet.
Wie sich die beiden auch in ihrer Angst um ihr möglicherweise gehörloses Baby vorsichtig wieder annähern, hat genau die Wahrhaftigkeit, die man bei anderen US-Familiendramen so häufig vermisst.
Kino: Cinemax, Gloria, sowie Mathäser (auch OV) und Cinema, Museum Lichtspiele (OV) R: Steven Caple Jr. (USA, 130 Min.)