AZ-Konzertkritik
Charles Esten: Tequila, Springsteen und Wiesn-Liebe
30. Januar 2019, 8:18 Uhr aktualisiert am 30. Januar 2019, 8:48 Uhr
"Nashville"-Star Charles Esten hat am Dienstagabend in der Muffathalle gespielt - Zungenbrecher und Wiesn-Liebesbekundungen inklusive. Die AZ-Konzertkritik.
Charles Esten ist drei Personen und das muss man erstmal so gekonnt wie er unter einen (Cowboy)-Hut bringen: Die meisten seiner Fans kennen ihn als melancholischen, mal trockenen, mal abgestürzten Alkoholiker Deacon Claybourne aus der Countryserie "Nashville". Für die hat der 53-Jährige viele Songs geschrieben und danach - zweitens - selbst (nochmal) eine Karriere als Musiker hingelegt. Und dann gibt es da noch die Privatperson Charles Esten, den gesettelten Typen, der mit seiner Jugendliebe verheiratet ist und gar keinen Grund hat, melancholisch in die Ferne zu schauen.
Serie und Realität treffen aufeinander
Jene Charles Estens haben am Dienstagabend in der ausverkauften Muffathalle gespielt - mit dabei waren karierte Hemden von Holzfäller- bis zum Oktoberfestleibchen, wenige Cowboyhüte und das Gefühl, dass viel mehr Mittvierziger und Fünfziger Streamingdienste nutzen, um sich amerikanische Countryserien anzuschauen, als gemeinhin angenommen.
Jener Serien-Esten spielt an diesem Abend die Duette mit Unterstützung des Damenduos Road and Shoes aus Köln, denn in "Nashville" geht's immer um das ganze große Drama und da passt's, dass die Damen allerhand Instrumente streichen können. Nur fehlt den Songs die Power, denn so richtig eingespielt sind Esten und seine Begleiterinnen nicht, die Musiker agieren allesamt rücksichtsvoll und abwartend.
Vor "Underminded" erzählt Esten, wie er als Deacon von "Nashville" mit Hayden Panettierre den Song auf der Ladefläche eines Pick-Ups schreibt und sie sich das T-Shirt auszieht und ins Wasser springt. Sehr komisch, wie er dann vormacht, wie er sich vorsichtig die Gitarre abhängt. "Denn ich sorge mich um meine Gitarre und weiß, das Deacon es auch tut." Da treffen Serie und Realität aufeinander.
Solos weitaus spannender als Duette
Wenn Esten allein mit seiner Gitarre auf der Bühne ist, greift er zwar manchmal ohne Schmerz daneben, aber er traut sich mal laut und mal leise zu sein, wechselt das Tempo, übertreibt es, um sich wenige Takte später zurückzunehmen. Das ist weitaus spannender als die Serienduette über die Liebe.
Auch sind viele Solosongs mit einem Augenzwinkern, das Spaß macht. "Dieser Song ist Tequila gewidmet", kündigt Esten an und erteilt noch eine Lektion in Zungenbrechern mit "Pour four more per favore" und lässt sich zu einigen Squaredance-Hüpfern hinreißen. Immer wieder am Flügel sitzend haut er in die Tasten und spielt dabei Mundharmonika, covert Springsteens "Thunder Road" und plaudert entspannt über seine Liebe zu Springsteen und das Oktoberfest. "Da war ich vor dreißig Jahren mit meiner Frau und an Teile davon erinnere ich mich sogar."
Wer aber kann den Fans böse sein, dass diese trotz solcher überzeugender Darbietungen die Nashville-Balladen hören wollen? Esten sicher nicht, den hat Nashville groß gemacht. Viel besser als den Melancholiker Deacon Claybourne kann er aber den charmanten Countrymusiker Charles Esten spielen.
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