Reiten und Turnen sind zwei verschiedene Sportarten. Nicht unbedingt: Denn beim Voltigieren turnen Sportler auf dem Rücken eines Pferdes, das zeitgleich im Kreis läuft. Klingt kompliziert? Für die Voltigierer Alina und Sarah von der Reit-Gemeinschaft Gut Waffenschmiede in Wörth an der Donau ist das nichts Besonderes mehr. Warum Geduld unumgänglich ist und nicht jedes Pferd ein Voltigier-Pferd werden kann.

Freitagabend in der Reithalle der Reit-Gemeinschaft Gut Waffenschmiede in Wörth an der Donau: Acht Mädchen laufen sich gerade warm und dehnen sich dann auf Matten auf dem Hallenboden. Neben den Mädchen steht ein Turngerät, das wie ein Pferde-Rücken aussieht: der sogenannte Bock. Darauf üben die Turner ihre Figuren, bevor sie diese auf dem Pferd perfektionieren. Trainerin Sabine Steger lässt das Pferd, ein holländisches Warmblut namens Viz, auf dem weichen Boden im Kreis laufen, um es auf das spätere Training vorzubereiten.

Alina Melzl ist eines der Mädchen. Sie ist 14 Jahre alt und kommt aus Pfatter. Vor acht Jahren hat sie mit dem Voltigieren angefangen, zusammen mit ihrer Schwester. Ihr gefällt die Zusammenarbeit mit den Pferden am besten: "Du brauchst zu jedem Pferd ein vertrautes Verhältnis und musst es gut kennen. So weißt du zum Beispiel, wo welches Pferd empfindlich ist und du aufpassen musst."

Ein Pferd braucht einen ruhigen Charakter

Nicht jedes Pferd ist geeignet, ein Voltigier-Pferd zu werden: "Wichtig ist, dass das Tier trainiert ist und gut ausgebildete Muskeln hat. Außerdem braucht es einen ruhigen Charakter, um bei hastigen Bewegungen oder Applaus auf Wettkämpfen nicht zu erschrecken", erklärt Alina.

Auch Sarah Mahren aus Wörth an der Donau voltigiert schon fast so lange, wie sie laufen kann. Sie ist 17 Jahre alt und hat im Alter von vier Jahren die erste Reithallen-Luft geschnuppert. Ein besonderes Erlebnis war für sie ihre erste Teilnahme an der Deutschen Meisterschaft 2010 in Aachen. "Da ist unser Team auf dem elften Platz gelandet. Das war bisher mein größter Erfolg."

Viz ist mittlerweile aufgewärmt. Die Mädchen legen eine Voltigierdecke auf seinen Rücken. Darauf kommt eine Schaumstoffunterlage und abschließend der Voltigiergurt, an dem Griffe und Schlaufen angebracht sind. Daran können sich die Sportler festhalten. Voltigierer müssen sehr gut trainiert sein, perfekte Körperspannung und viel Kraft in Armen und Beinen haben. Für Sarah ist die richtige Technik am schwierigsten: "Die Figuren perfekt auszuführen, ist nicht so leicht. Da heißt es: üben, üben, üben. Das dann auf dem Pferd umzusetzen, erfordert im Training nochmal viel Kraft und Geduld."

Auf dem Boden oder einem Holzpferd üben

Wie läuft so ein Training ab? Alina erklärt es: "Während wir uns aufwärmen und dehnen, läuft sich das Pferd an der Longe warm. Das ist eine lange Leine, die die Trainerin hält. Mit einer Longier-Peitsche, der Longe und ihrer Stimme zeigt sie dem Tier, was es tun soll." Dann geht die Gruppe die Übungen auf dem Boden oder einem Bock durch und verbessert sie. Erst wenn alles gut klappt, trainieren sie auf dem Pferd. "Oft ist es auf dem Pferd sogar einfacher, weil ich besser Schwung nehmen kann. Hin und wieder machen wir auch Krafttraining", sagt Alina.

Um auf das Pferd zu springen, laufen Sarah, Alina und die anderen Sportler von der Mitte des Kreises entlang der Longe zum Tier und übernehmen dessen Galopp-Rhythmus. Dann ziehen sie sich an den Griffen mit einem Aufschwung nach oben und zeigen ihre Übungen. Sarah hat gerade einen Handstand gemacht und springt in einem eleganten Abgang vom Pferd.

Wenn die Übungen gut klappen, fahren die Teams auf Turniere. Ein Wettkampf ist in zwei Teile aufgeteilt. "Zuerst kommt die Pflicht", erzählt Alina. "Da ist jeder einzeln nacheinander auf dem Pferd und turnt sieben Übungsteile. Die Punktzahlen der Mitglieder einer Mannschaft werden zusammengezählt." Danach ist die Kür an der Reihe. "Da sind bis zu drei Personen auf dem Pferd, die ihr Können beispielsweise mit Hebe-Figuren zeigen."

Sarah erklärt, was bei einem Wettkampf bewertet wird: "Bei der Punkte-Vergabe zählt die Schwierigkeit der Übungen, die Ausführung und die individuelle Gestaltung. Außerdem gibt es die Pferde-Note, bei der Pferd und Longen-Führer Punkte bekommen."

Nach dem Training sind alle erschöpft, aber zufrieden. Ein paar Runden laufen, Viz loben und verabschieden - dann sehen sich die Sportler beim nächsten Training wieder.

Wenn du das Voltigieren ausprobieren möchtest, solltest du ein gutes Gleichgewichtsgefühl haben und dich für Pferde interessieren. Reiten können ist keine Voraussetzung. Bei Interesse kannst du dich unter der Telefonnummer 09403/3621 melden. Das Training findet in der Reitanlage Weinzierl, Regensburger Straße 27, 93086 Wörth an der Donau, statt.

Ein Jahr bis zur Perfektion: Drei Fragen an Trainerin Sabine Steger

Sabine Steger ist die Trainerin von Sarah und Alina. Wir haben ihr drei Fragen über den Sport gestellt.

Wie und wie lange trainiert man ein Voltigier-Pferd?
Sabine Steger: Neben Reit- und Dressurausbildung ist die Ausbildung an der Longe sehr wichtig. Dazu braucht das Pferd auch einen Ausgleich. Voltigierpferde werden ab etwa fünf Jahren ausgebildet. Die Dauer der Ausbildung ist abhängig von Mitarbeit, Kenntnissen des Ausbilders und Ziel.

Welche Rolle spielen Musik, Trikots und Make-up auf Wettkämpfen?
Für die Saison erarbeiten wir uns eine Choreographie im Team. Im hohen Leistungssport spielen Musikauswahl und Trikot-Gestaltung eine große Rolle. Dabei verkörpert das Team ein bestimmtes Thema und bewegt sich exakt auf die Musik. Eine neue Choreographie reift oft über ein Jahr zur Perfektion.

Was ist die erste Übung, die ein Neueinsteiger beim Voltigieren lernt?
Anfangen können Kinder ab sechs Jahren. Zuerst lernen sie den Umgang mit dem Pferd und Zusammenhalt und Vertrauen im Team. Erst trainieren wir am Boden und am Bock. Dann geht's aufs Pferd! Erst im Schritt, dann im Trab und im Galopp. Eine Übung für Anfänger ist zum Beispiel das Knien auf dem Pferderücken.