[Frei]schreiben!
"Erst Verlieren lernen, bevor man gewinnen kann"
20. April 2010, 18:25 Uhr aktualisiert am 20. April 2010, 18:25 Uhr
Carmen Wegge, 20 Jahre, liebt das Schreiben. Neben ihrem Jurastudium steht sie auf der Bühne und macht das, was sie richtig gut kann: bei Poetry Slams das Publikum von sich überzeugen. Das hat auch mit ihrem Gedicht im "Kleinen Theater" in Landshut geklappt, wo ich sie nach ihrem Auftritt getroffen habe.
Carmen, wie bist du zum Poetry Slam gekommen und wie lange machst du das schon?Carmen Wegge: Seit ich zehn Jahre alt bin schreibe ich und nach meinem Umzug nach München, machte mich meine Mutter auf eine Ankündigung aufmerksam. Vor fünf Jahren hatte ich meinen ersten Auftritt bei den Poetry Slam Workshops in der Schauburg.
Was zeichnet für dich den Poetry Slam aus?Am Poetry Slam gefällt mir, dass er so offen ist. Man kann rappen, Gedichte vortragen oder aber auch Kurzgeschichten erzählen, es ist alles möglich.
Erkennst du einen Trend dieses Wettbewerbs?Es ist ein Trend der gegen die langweilige Klassenzimmerliteratur geht und natürlich vor allem junge Leute anspricht. Poetry Slams sind keine langweiligen Lesungen, denn das Publikum ist selbst beteiligt und sobald man sich darauf einlässt, kann man einen schönen Abend haben.
Wie bereitest du deine Auftritte vor und was bedeutet dir die Jurybewertung?Ich bereite mich eigentlich gar nicht so ausführlich vor. Meine Texte kann ich alle auswendig. Da muss ich quasi nur noch auf einen Knopf in meinem Kopf drücken und schon wird der Text abgespult. Welchen Text ich wähle, hängt vom Publikum sowie den anderen Poeten ab.
Poetry Slam hat auch viel mit Psychologie zu tun, da ist mir die Jurybewertung meistens nicht so wichtig. Das Einzige, was mich nervt, ist, wenn jemand, der wirklich viel schlechter war, weiterkommt, oder ich niedrige Noten erhalte.
Woher nimmst du die Ideen für deine Texte? Welche Themen behandelst du vorwiegend?Es gibt kein bestimmtes Thema oder ein Rezept, um auf gute Ideen zu kommen. Man muss wissen, was einem wichtig ist und man mitteilen will. Für mich zählt, dass der Text eine Aussage haben soll.
Gibt es vorgeschriebene Regeln z.B. Anzahl der Wörter pro Vers oder ein bestimmtes Reimschema beim Texten?
Nein, das kann jeder frei gestalten.
Trägst du deine Texte frei vor oder liest du sie ab? Ich trage lieber frei vor. Denn wenn man beide Hände frei hat, ist man dem Publikum näher. Außerdem kann man dadurch die Aussage des Textes besser vermitteln.
Wie viele Texte schreibst du bzw. hast du einige, die du öfters präsentierst?Meistens habe ich die Idee schon im Kopf, aber das Detail entsteht erst während des Schreibprozesses. Normalerweise schreibe ich einen Text pro Monat, aber dadurch dass ich im Moment sehr viel unterwegs bin, ist es weniger geworden. Außerdem benötigt man die Inspiration aus seinem wahren Leben. Wenn man viel reist, ist es ganz natürlich, dass man mehrere Texte hat, die man öfters macht. Für jeden Slam einen neuen Text vorzubereiten und das Niveau aufrechtzuerhalten, ist nicht möglich.
Ist die Teilnehmerzahl und Dauer des Auftritts verbindlich festgelegt? Da gibt es viele Unterschiede. Es gibt zum Beispiel Slams, wo die Teilnehmerzahl unbegrenzt und das Zeitlimit verschieden ist. Generell bewegt es sich aber zwischen fünf und zehn Minuten. Es ist auch nicht immer so, dass die besten Drei weiterkommen. Manchmal gibt es Vorrunden, wo der Beste weiterkommt. Die Möglichkeiten sind unbegrenzt. Beispielsweise wird bei machen Slams mit Stimmzetteln abgestimmt.
Nimmst du auch bei überregionalen Slams teil?Am Anfang bin ich nur in München aufgetreten, aber in den letzten zwei Jahren bin ich deutschlandweit unterwegs gewesen. Meistens wird man auf Touren eingeladen, bei welchen mehrere Slams hintereinander stattfinden.
Welche Erfolge hast du schon erzielt?Ich habe schon viele Slams gewonnen, darunter den größten monatlich stattfinden Poetry Slam Europas im "Substanz" in München. Außerdem habe ich den sechsten Platz bei der deutschsprachigen U20 Meisterschaft im Jahr 2009 erreicht.
Wer ist dein persönlicher Favorit?Die Slam-Szene ist sehr familiär. Es gibt für mich keinen Favoriten, nur Poeten, deren Texte ich besonders gerne mag. Dazu gehören unter anderem Theresa Hahl, Nico Semsrott, Moritz Neumeier, Bas Böttcher, Frank Klötgen und viele mehr. Diese Liste würde keine Ende finden, da viele Bekannte oder Freunde von mir sind.
Hast du einen Ratschlag für jemandden, der überlegt, mal teilzunehmen? Sollte man bestimmte Voraussetzungen mitbringen?Man sollte sich auf jeden Fall trauen, denn meistens gibt es immer jemanden, der schlechter ist als man selbst. Das einzige, was man mitbringen muss, ist Spaß am Schreiben und ein bisschen Mut. Ich denke, es ist eine Mischung aus Talent und Übung. Das Gute am Poetry Slam ist, dass man erst das Verlieren lernen muss, bevor man gewinnt.