Bayern

Wohnprojekt für Familien droht zu scheitern - wegen Personalmangel

Im Norden der Stadt wurde ein Haus renoviert, in dem Kinder mit Behinderung kurzfristig untergebracht werden können - etwa, wenn die Eltern ins Krankenhaus müssen. Doch für das Projekt sucht die Lebenshilfe immer noch Personal.


Die ehemalige Hausmeisterwohnung ist umgeben von viel Grün. Damit die Kinder und Jugendlichen sich wohlfühlen, wurden die Räumlichkeiten renoviert.

Die ehemalige Hausmeisterwohnung ist umgeben von viel Grün. Damit die Kinder und Jugendlichen sich wohlfühlen, wurden die Räumlichkeiten renoviert.

Von Anna-Maria Salmen

Milbertshofen - Am Hart - Ein gepflasterter Weg führt zwischen grünen Sträuchern zu einer kleinen Treppe. Tritt man durch die Tür am oberen Ende, riecht es schlagartig leicht nach Holz und neuen Möbeln. Die Räumlichkeiten wirken weitläufig und modern, im Wohnzimmer stehen schon bunte Sofagarnituren bereit.

Bald sollen sechs Kinder und Jugendliche mit geistiger Behinderung die beiden zusammengelegten Wohnungen in der Neuherbergstraße im Norden der Stadt mit Leben füllen. Noch aber hindert der Mangel an pädagogischem Fachpersonal die Münchner Lebenshilfe, die das Projekt für Kurzzeitwohnen aufgebaut hat, an der Eröffnung.

Eltern von Kindern mit geistiger Behinderung kommen bei der Betreuung manchmal an ihre Grenzen

sized

Eine kleine Treppe führt hinauf zu den Räumlichkeiten. Zwei Wohnungen wurden zusammengelegt, um sechs Kindern Platz zu bieten.

sized

Das helle Bad ist barrierefrei saniert worden.

sized

Die Schlafzimmer sollen mit Bildern an den Wänden noch wohnlicher gestaltet werden.

sized

Im Wohnzimmer warten schon bunte Sofagarnituren, die auch in kleineren Gruppen aufgestellt werden können.

sized

Bewusst keine starre Essensausgabe: Die geräumige, offene Küche ist wie zu Hause und lädt zum gemeinsamen Kochen ein.

sized

René Pfeifer, Vorsitzender der Lebenshilfe, will Eltern geistig behinderter Kinder mit dem neuen Angebot Entlastung bieten.

Eltern von geistig behinderten Kindern und Jugendlichen haben in München wenige Möglichkeiten, kurzzeitig Entlastung zu finden, sagt René Pfeifer, Vorsitzender der Lebenshilfe. Gleichzeitig seien die Anforderungen bei der Erziehung hoch, manche Eltern kämen an ihre Grenzen und würden sich eine Auszeit wünschen - ohne ihr Kind dauerhaft in eine sonderpädagogische Wohneinrichtung bringen zu müssen.

Wie eine Studie der Ludwig-Maximilians-Universität ergab, würden bis zu 61 Prozent der Eltern geistig behinderter Kinder und Jugendlichen die Möglichkeit einer kurzzeitigen Unterbringung in einer speziellen Einrichtung nutzen. Ein entsprechendes Angebot für Kurzzeitwohnen gab es in München bisher allerdings nicht.

Sechs Plätze bietet die Lebenshilfe hier. Für Eltern, die einfach mal eine Pause brauchen

Die sechs Plätze, die die Lebenshilfe nun in der Neuherbergstraße schafft, sind zumindest ein Anfang. Nutzen sollen sie bald Kinder und Jugendliche mit geistiger Behinderung, deren Eltern einfach einmal Pause brauchen, sagt Pfeifer. "Egal ob für Urlaub oder auch für alltägliche Dinge, die geregelt werden müssen und für die man den Rücken frei braucht."

Auch in Notfallsituationen, wie etwa bei unerwarteten Krankenhausaufenthalten der Eltern, sollen die Kinder kurzzeitig in der Neuherbergstraße unterkommen können. "Die Eltern sollen wissen, dass ihr Kind bei uns gut aufgehoben ist", sagt Pfeifer - egal, ob sie nur für ein Wochenende oder auch für zwei Wochen bleiben. Rund um die Uhr sollen die Bewohner von Erziehern und Heilpädagogen betreut werden, auch nachts wird eine pädagogische Fachkraft anwesend sein.

"Wir kennen schon viele der Kinder", sagt die Heimleitung

Dass die Eingewöhnung der Kinder und Jugendlichen in der ungewohnten Umgebung schwierig werden könnte, damit rechnet Pfeifer nicht. Bei der Planung achte man auf eine harmonische Zusammenstellung der Gruppe.

"Wir kennen auch schon viele der Kinder, weil sie zum Beispiel eine unserer heilpädagogischen Tagesstätten besuchen. Es gibt also schon bestehende Bindungen, auf denen man aufbauen kann."

Damit die Bewohner auf Zeit sich wohlfühlen, wurde die ehemalige Wohnung des Hausmeisters der angrenzenden Förderschule komplett renoviert und modernisiert. Rund 300 000 Euro haben die Maßnahmen laut Pfeifer gekostet. Ein Großteil der Summe konnte durch Spenden aus der Sternstunden-Aktion des Bayerischen Rundfunks gedeckt werden.

Die alte Immobilie musste komplett umgebaut werden

In der alten Immobilie musste viel verändert werden, sagt Pfeifer: Rund ein Jahr nahmen die Arbeiten in Anspruch, durch verschiedene Unwägbarkeiten wie etwa ein Wasserrohrbruch und kaputte Leitungen kam es immer wieder zu Verzögerungen. Nun jedoch ist der Umbau fast fertig. Etwas gemütlicher soll es noch werden, kündigt Pfeifer an: Zum Beispiel sollen an den Wänden Bilder aufgehängt werden, die noch nackten Glühbirnen an den Decken sollen Lampenschirme bekommen. Auch die Küchenausstattung fehlt noch. Um die restliche Einrichtung schön gestalten zu können, freut sich die Lebenshilfe über Spenden.

Die verbliebenen baulichen Maßnahmen und die Genehmigungsprozesse könnten bis Pfingsten erledigt werden, schätzt Pfeifer, dann wäre eine Eröffnung möglich - sofern sich Personal findet. Der Fachkräftemangel, mit dem Kinderbetreuungseinrichtungen aller Art zu kämpfen haben, macht sich bemerkbar: "Wir haben schon seit einem Vierteljahr ausgeschrieben, aber noch keine Bewerbungen erhalten", sagt Pfeifer.

Die Arbeit beim Kurzzeitwohnen sei abwechslungsreich, sagt der Heimleiter

Dabei wäre die Arbeit beim Kurzzeitwohnen ein abwechslungsreicher Job, sagt der Lebenshilfe-Vorsitzende. Denn bei der Tagesplanung soll individuell auf die Gäste eingegangen werden. "Das macht die Arbeit kurzweilig: Wir haben immer wieder andere Kinder, mit denen man schaut, welche Aktivitäten geeignet sind."

Pfeifer kann sich zum Beispiel vorstellen, dass die geräumige, offene Küche zum gemeinsamen Kochen einlädt. Auch die Umgebung der Wohnung wirkt idyllisch mit dem direkt angrenzenden Spielplatz und viel Grün. "Ich glaube, wir haben da etwas sehr Angenehmes geschaffen", sagt Pfeifer. "Es ist ein Konzept, das gebraucht wird."