Bayern

"Wir könnten 150 Bäume in die Fußgängerzone stellen"

Amphitheater oder doch eine Rasenfläche? Die grüne Baureferentin schildert ihre Pläne für den Platz vor der Oper und erklärt, ob es bald mehr Cafés direkt an der Isar geben könnte


Baureferentin Jeanne-Marie Ehbauer beim Fototermin mit der AZ.

Baureferentin Jeanne-Marie Ehbauer beim Fototermin mit der AZ.

Von Christina Hertel

AZ: Frau Ehbauer, ist München eine grüne Stadt?
JEANNE-MARIE EHBAUER: München hat ganz viel Grün. Aber ich glaube, es geht noch mehr.

Wie viel mehr geht denn?
Das kommt auf den Stadtbezirk an. Alleine in der Fußgängerzone hat unser Referat über 150 Standorte ausgemacht, wo es theoretisch ginge, neue Bäume zu pflanzen. Wir haben außerdem mit den Bezirksausschüssen 1200 Standorte für neue Baumpflanzungen ermittelt.

Allerdings wurden in dieser Legislatur kaum Bäume auf Parkplätzen gepflanzt - warum?
Damit ein Baum wachsen kann, braucht er Platz für seine Wurzeln. Und nur weil oberirdisch etwas frei aussieht, heißt das nicht, dass es im Untergrund genug Volumen gibt. Damit die Bäume die heißen Sommer aushalten, gibt es in München ganz besondere 36 Kubikmeter große Baumgruben. Bis zu 12 000 Liter Wasser können darin gespeichert werden. Im Vergleich zu anderen Städten ist das Luxus. Normalerweise sind Baumgruben bloß zwölf Kubikmeter groß. In anderen Städten haben Sie vielleicht schon mal schwarze Säcke um Bäume gesehen? Da streikt nicht etwa die Müllabfuhr - das sind Wassersäcke, die Feuchtigkeit an Bäume abgeben. So etwas werden Sie in München nicht sehen.

Ehbauer im Gespräch mit AZ-Rathausreporterin Christina Hertel.

Ehbauer im Gespräch mit AZ-Rathausreporterin Christina Hertel.

Aber das heißt auch: Bei so großen Gruben müsste man für neue Bäume die ganze Fußgängerzone aufgraben.
Vielleicht werden es am Ende nicht alle 150 Standorte. Es ist auch immer eine gewisse Bodentiefe notwendig. Wir wollen ja den Platz vor der Oper interimsmäßig neu gestalten. In der Diskussion hatte ich auch Visualisierungen auf dem Tisch, bei denen große Bäume eingezeichnet waren. Obwohl die Überdeckung der Tiefgarage nur 30 bis 40 Zentimeter tief ist. Bäume können da nur aus Plastik sein oder es ist eine gezeichnete Lüge. Bei Parkplätzen ist das oft auch so, dass darunter die U-Bahn fährt oder dass man zu viele Sparten verlegen müsste, sprich Leitungen für Fernwärme, Telekommunikation, Wasser.

Die CSU schimpft: Der Max-Joseph-Platz wird bald aussehen wie ein Schrebergarten. Sind Sie zufrieden mit dem Vorschlag für die Neugestaltung?
Wir haben einen Vorschlag vorgelegt für ein zügig umsetzbares Interimskonzept. Es ist nicht die endgültige Lösung. Die Idee ist ja, den Münchnern einen Ersatz zu bieten, bis der Marienhof den Menschen wieder zur Verfügung steht. Für ein Interim können wir aber nicht unendlich viel Geld ausgeben.

Manchmal werden Interimslösungen zum Dauerzustand.
Meine Glaskugel ist leider defekt. Fakt ist: Hier können wir was ausprobieren. Alles ist besser als der Ist-Zustand. Wir haben Blüten und Stauden vorgeschlagen. Aber vielleicht gibt es in einem Jahr ein hölzernes Amphitheater, wo die Staatsoper Veranstaltungen macht und im nächsten Jahr eine Rasenfläche, wo sich Leute zum Sonnen vor die Oper legen können.

Heißt mehr Ökologie am Ende immer, dass es wilder aussieht?
Wir haben für den Max-Joseph-Platz Pflanzen und Gräser vorgeschlagen, die widerstandsfähig und pflegeunintensiv sind. Aber es stimmt: Wir haben uns auch entschieden, das Straßenbegleitgrün statt zehnmal nur noch zweimal im Jahr zu mähen. Denn jetzt ist es wirklich nicht besonders ökologisch. Unser Ziel ist, das städtische Grün ökologisch weiter aufzuwerten und keine Fläche zu verschwenden. Viele haben ja die Vorstellung: Ich fahr mal raus in die Natur. Aber tatsächlich sind viele Stellen einer Stadt ökologischer und artenreicher als die sogenannte Natur - zum Beispiel in Vierteln mit altem Baumbestand, auf Friedhöfen und in Parks. Wo werden denn Bäume noch alt wie dort? In einem Nutzwald? Keine Chance.

Der Bund Naturschutz schätzt, dass München jährlich 2500 Bäume verloren gehen. Realistisch oder überzogen?
Auf ihren eigenen Flächen hat die Stadt eine positive Baumbilanz, aber bei dem, was auf privaten Grund passiert, haben wir leider so gut wie keinen Einfluss.

Der Klimawandel findet in München bereits statt. Der Deutsche Wetterdienst schätzt, dass sich die Zahl der Sommertage verdoppeln könnte. Ist München vorbereitet?
Das Beste, was man im Kampf gegen den Klimawandel tun kann, ist: entsiegeln und mehr Bäume pflanzen.

Wie traurig macht sie da der graue Platz vor den Riem Arcaden?
Freudige Nachricht: Der wird umgestaltet. Eine Bürgerbeteiligung gab es schon, noch in diesem Jahr wollen wir den Stadtrat um die Projektgenehmigung bitten. Es sind mehr Bäume, Gräser, Sträucher und schattige Sitzgelegenheiten geplant. Und auch wieder ein Brunnen. Wir versuchen bei den Platzgestaltungen jetzt immer, Wasser mit reinzubringen.

Wo geschieht das?
Uns beschäftigt etwa die Frage, wie wir alte Bäche, die früher mal da waren, wieder an die Oberfläche holen können - zum Beispiel an der Herzog-Wilhelm-Straße. Da laufen die ersten Voruntersuchungen schon.

Der OB hat vor Kurzem auch einen Bach im Tal angekündigt.
Das hat mich überrascht, aber ich finde es gut. Es gab meines Wissens nie einen Bach im Tal und ich kenne keine Voruntersuchungen. Wir nehmen diesen Impuls aber gerne auf und werden auch im Tal schauen, ob und wie wir zusätzliche blaue Infrastruktur an der Oberfläche integrieren können.

Durch den Klimawandel werden auch die Tage mit Starkregen zunehmen. Drohen in München Überschwemmungen?
Die Wahrscheinlichkeit, dass in München etwas schiefläuft, ist sehr gering. Wir haben ungewöhnlich umfassende Möglichkeiten, Wasser zurückzuhalten. Es gibt 700 000 Kubikmeter unterirdische Speicherkapazität, wo Regenwasser hingeleitet werden kann, um die Kanalisation zu entlasten. Zum Hochwasserschutz gehören auch unsere Gewässer - die Isar und die Würm. Mit beiden wollen wir den Stadtrat noch dieses Jahr erneut befassen.

Um was geht es da?
Bei der Würm gibt es Überlegungen, auch sie zu renaturieren. Aber da müssen erstmal die Untersuchungen beginnen und dafür brauchen wir die Mittel und die Leute. Und bei der Isar wird es dieses Jahr eine Stadtratsvorlage geben, die sich mit dem innerstädtischen Abschnitt beschäftigt, also mit dem Bereich zwischen Reichenbach- und Luitpoldbrücke. Denn die Mauern, die das Flussbett einfassen, sind teilweise in keinem guten Zustand. Ein paar müssen alle drei Wochen inspiziert werden. Angst, dass sie zusammenbrechen, muss keiner haben. Aber wir müssen jetzt entscheiden, wie es weitergeht. Und natürlich wird auch immer wieder über eine Promenade am Fluss geredet.

Also mehr Cafés und Kneipen direkt an der Isar?
Das ist nicht meine Entscheidung. Den ein oder anderen Balkon gäbe es schon, um zusätzliche Sitz- und Aufenthaltsmöglichkeiten nahe am Wasser zu schaffen. Nur sind die im Augenblick zugewuchert oder unzugänglich. Da müsste man also erst einmal dran arbeiten. Dazu wird es in absehbarer Zeit eine Beschlussvorlage geben, ob wir das angehen wollen - ein schönes, aber auch höchst sensibles Thema.

Ist es denkbar, dass die Isar in der Innenstadt renaturiert wird?
Wir loten alle Potenziale aus, aber so wie am Flaucher wird man es nicht hinkriegen. Denn die Mauern sind denkmalgeschützt, außerdem sind sie an dieser Stelle ein unverzichtbarer Hochwasserschutz.

Zu Ihrem Bereich gehört der U-Bahn-Bau. Die Mittel dafür wurden ja über eine ganze Weile hinweg ziemlich gekürzt.
Und auch die Mitarbeiter.

Inwiefern rächt sich das jetzt?

Wir müssen das Ganze jetzt eben wieder aufbauen. Bauen ist immer Projektarbeit, das ist ganz normal. Aber die Situation auf dem Arbeitsmarkt macht es natürlich nicht leichter.

Wie viele Stellen sind denn nicht besetzt?
Zunächst müssen wir erst einmal ausreichend viele Stellen schaffen, ungefähr 80 Vollzeitstellen fehlen. Die neuen Mitarbeiter brauchen wir, um die U9 und die U4 nach Englschalking anzugehen. Ich bin aber optimistisch. Bei der U5, die wir aktuell Richtung Pasing verlängern, liegen wir im Zeitplan.

Viele wundern sich, dass die Stadt so viele Radwege plant, aber kaum welche baut.
Es gibt eine ganze Reihe von Radwegen, die wir noch heuer bauen. Aber man muss wissen: Das Mobilitätsreferat plant die Maßnahmen, beteiligt die Bezirksausschüsse und den Radentscheid. Erst danach gehen meine Mitarbeitenden in die komplexe Detailplanung. Dann kalkulieren wir die Kosten und stellen Förderanträge an Bund oder Freistaat. Und erst wenn das alles durch ist, können wir anfangen zu bauen. Das heißt: Nach dem Entscheid aus dem Mobilitätsausschuss brauchen wir im Schnitt eineinhalb Jahre bis zum Baubeginn.

Ging es in Bremerhaven, wo Sie vorher gearbeitet haben, schneller?
Naja, manches - Kunststück. Das ganze Bundesland Bremen hat nur halb so viele Einwohner wie München. Dafür kann München wirklich nichts. Ich kann nur sagen: Wir arbeiten effektiv am Ausbau der Radinfrastruktur. Im Großen, wie dem beschleunigten Bau der Radentscheidsprojekte, sowie im Kleinen mit beispielsweise jährlich 1500 neuen Radabstellplätzen im ganzen Stadtgebiet.

Interview: Christina Hertel