Bayern

Trauer um München-Kämpfer Karl Klühspies

Mit 94 stirbt der Kritiker von autogerechten Städten. Er gründete einst das "Bauforum".


Karl Klühspies blätterte für das AZ-Foto in seinem Buch "München - nicht wie geplant".

Karl Klühspies blätterte für das AZ-Foto in seinem Buch "München - nicht wie geplant".

Von Hüseyin Ince

Karl Klühspies hat als einer der ältesten Bewohner dieser Stadt schon viel erlebt und gesehen. Bei Kriegsende 1945 ist er 16 Jahre alt, erlebt in den 50ern wie München wieder aufgebaut wird. Vieles ist schon bald auf den Individualverkehr ausgerichtet. Sprich: autogerecht.


Klühspies wird Architekt, ist einer der ersten großen Kritiker dieser Ausrichtung. Er organisierte Diskussionsforen, Widerstand gegen diese Prämisse.

Trotzdem fuhren Massen von Autos bis in die 70er Jahre vom Stachus bis zum Tal einmal quer durch. Heutzutage völlig unvorstellbar. Erst zu Olympia wurden Kaufingerstraße und Neuhauser Straße zur autofreien Zone. Klühspies war ein Pionier und Visionär der ersten Stunde, wusste als einer der ersten Münchner, dass es wohl ein Fehler war, die Stadt so wiederaufzubauen.

Viele dieser Fehler wurden inzwischen korrigiert.

Nicht nur Grüne fordern heutzutage eine menschengerechte Stadt. Auch Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) warb mit der "menschenfreundlichen" statt autofreundlichen Stadt für sich, als er sich für die aktuelle Amtsperiode im Rathaus bewarb und schließlich gewählt wurde.

Karl Klühspies fand von Anfang an Mitstreiter und organisierte Diskussionsforen. Auch hier war er ein Pionier, der mit großer Ausdauer und Hartnäckigkeit schaffte, dass langfristig jede Münchnerin und jeder Münchner Stadtentwicklungspläne einsehen und mitgestalten konnte. Er hatte stets die Vorstellung, eine lebenswerte Stadt zu erschaffen.

Zunächst gründete er gemeinsam mit Gleichgesinnten das Münchner Bauforum, aus dem später das Münchner Forum hervorging - eine offene, zivilgesellschaftliche Diskussionsplattform für alle interessierten Bewohner der Stadt und für deren Politiker.

Auch dem früheren OB Hans-Jochen Vogel (SPD) war es zu verdanken, dass das alles möglich wurde. Er erkannte die Notwendigkeit hinter Klühspies' Anliegen, die Stadtbewohner an der Neugestaltung Münchens zu beteiligen.

Selbst in hohem Alter beteiligte sich Klühspies an den Diskussionen rund um die Stadt
- seine Geburtsstadt. Nun ist er kürzlich am 12. Januar mit 94 Jahren gestorben. Ohne dessen Einspruch und Wirken würde München heute ganz anders aussehen, schrieb AZ-Reporterlegende Karl Stankiewitz 2019 über Klühspies. Stankiewitz erwähnt ihn ausdrücklich, als er zusammenfasst, wie die Münchner in den 70ern die Isarparallele verhindert haben - eine autobahnähnliche, stellenweise achtspurige Straße entlang des Flusses. Klühspies selbst schildert das alles in seinem Buch: "München - nicht wie geplant".

Christian Ude schrieb mal über Klühspies, begeistert von dessen Idee der Bürgerbeteiligung: "Ohne den Architekten und Stadtplaner Karl Klühspies (...) hätte es in München vermutlich keine Renaissance der Tram und keine Freilegung von Stadtbächen gegeben."

Als München-Kämpfer wurde Klühspies oft bezeichnet. "Eigentlich haben sie uns dazu gezwungen", sagte er mal und meinte damit die Behörden, die über die Köpfe der Menschen hinweg entscheiden wollten. "Sie haben uns nicht ernst genommen, das war ihr Fehler."