Ingolstadt/München
Sinnvoll oder abgehoben? Das sagen Experten zu Flugtaxis
11. März 2019, 8:58 Uhr aktualisiert am 4. April 2023, 18:32 Uhr
Ab dem heutigen Montag wird der Luftraum von Ingolstadt zur Testregion für Flugtaxis: Airbus will dort ein Modell auf seine Praxistauglichkeit testen. Doch wie sinnvoll sind derlei Flugtaxis tatsächlich? Zwei Experten stehen Rede und Antwort.
Prof. Dr.-Ing. Florian Holzapfel hat an der Technischen Universität München den Lehrstuhl für Flugsystemdynamik inne. Zudem leitet er bei der Deutschen Gesellschaft für Luft- und Raumfahrt den Fachausschuss Flugregelung. Sein Kollege Prof. Dr. Mirko Hornung ist Professor für Luftfahrtsysteme und forscht an der TUM vor allem auf dem Gebiet des Flugzeugentwurfs. Für idowa geben die beiden Experten Antworten auf die wichtigsten Fragen zum Thema Flugtaxis und erklären, warum sie zwar eine gute Ergänzung, aber keine Alternative zu herkömmlichen Verkehrsmitteln darstellen.
Wie realistisch sind Flugtaxis?
"Sie sind zu 100 Prozent realistisch", sagt Professor Holzapfel. "Sie lassen sich mit aktueller Technologie verwirklichen, es gibt mittlerweile Grundlagen zu deren Zulassung und es existieren schon heute sinnvolle Märkte, die die Entwicklungskosten rechtfertigen." Man müsse aber davon ausgehen, dass zunächst noch ein Pilot nötig sein werde, um das Flugsystem zu bedienen. "Ein wirklich vollautomatisierter Personentransport wird noch ein paar Jahre auf sich warten lassen", so Holzapfel. Auch Professor Hornung hält Flugtaxis für alles andere als Fantastereien: "Wenn wir heute über Flugtaxis reden, meinen wir meist einen Personentransport mit einem Fluggerät innerhalb städtischen Gebiets. Diese Art der Beförderung wird schon heute mit Helikoptern angeboten. Das Flugtaxi-Modell existiert also bereits." Ob Helikopter aber langfristig im Flugtaxi-Betrieb eingesetzt werden, bleibe noch abzuwarten.
Wären sie eine sinnvolle Alternative zum Straßen- und Schienenverkehr?
"Ich würde sie nicht als Alternative bezeichnen, sondern als gewisse Ergänzung", so Professor Hornung. Der große Vorteil von Flugtaxis sei natürlich, dass man mit ihnen bessere Flugpfade wählen und so Zeit sparen könnte. Aber: "Man kann sich schon im Vorfeld sicher sein, dass wahrscheinlich keine vergleichbare Transportqualität, die das Schienen- und Straßennetz schon heute hat, geschaffen werden kann." Professor Holzapfel sieht es ähnlich: "Ich denke, Flugtaxis sind eine sinnvolle Ergänzung. Es gibt Mobilitätsketten, wo das Lufttaxi großen Sinn macht, weil man auch bei relativ kleinen Fluggeschwindigkeiten und kurzen Strecken einen großen Zeitgewinn durch die relativ direkte und ungestörte Luftlinie hat - etwa in verstopften Metropolen oder Inselreichen beziehungsweise gebirgigen Gebieten."
Können sie herkömmliche Verkehrsmittel auf lange Sicht ersetzen?
"Nein, keinesfalls", ist Florian Holzapfel überzeugt. Allerdings könnten Lufttaxis in Kombination mit dem Straßenverkehr und öffentlichen Verkehrsmitteln zu einer gleichmäßigeren und damit besseren Auslastung der Verkehrsinfrastruktur führen. Auch Mirko Hornung hält es für unwahrscheinlich, dass das Flugtaxi dem Auto den Rang abläuft: "Wir haben schon erste grobe Abschätzungen gemacht. Angenommen, man würde in Los Angeles - das ist ein Anwendungsfall, der immer wieder diskutiert wird - die gleiche Transportleistung wie Taxis realisieren wollen: Dann hätte man für den Großraum ungefähr 14.000 bis 16.000 Flüge pro Stunde, die es zu realisieren gilt. Bis heute gibt es noch keinerlei Verfahren, wie man das machen könnte. Flugtaxis wären auf jeden Fall eine Ergänzung, aber auf lange Sicht sind sie definitiv kein Ersatz."
Wie lange wird es dauern, bis Flugtaxis tatsächlich einsatzbereit sind?
Das könne man nur schwer abschätzen, so die beiden Experten - eine konkrete Jahreszahl will keiner von ihnen nennen. "Man darf sich das Ganze nicht immer als plötzliche Revolution vorstellen", so Florian Holzapfel. "Es wird vielmehr eine evolutionäre Entwicklung, in der wir gegenwärtig aber schon weiter sind, als viele denken." Und Mirko Hornung ergänzt: "Helikopterservices gibt es auch in Bayern schon - direkt bei uns am Standort in Taufkirchen wäre der nächste. Aber wir reden ja darüber, elektrifizierte oder hybrid-elektrische Fluggeräte zu verwenden. Und dazu gibt es noch keine Zulassungsvorschriften und keine Verfahren, wie man solche Geräte zulassen und einsetzen könnte." Eine Ausnahme sei der sogenannte Volokopter: "Der hat eine Zulassung in Deutschland und darf fliegen. Aber trotzdem gibt es noch kein Verfahren, das erklärt, wie man Passagiere in einem regulären Flugbetrieb innerhalb städtischer Gebiete fliegen darf", so Hornung.
Welche Voraussetzungen müssten für die Alltagstauglichkeit von Flugtaxis noch geschaffen werden?
Für Professor Holzapfel sind hier die Verfügbarkeit von Start- und Landeplätzen sowie eine Integration der Systeme in den Luftraum entscheidend: "Flugtaxis werden sicher nicht überall starten und landen, sondern nur an dafür eingerichteten Stellen. Man wird sich nicht wie mit dem Auto einfach frei bewegen können, sondern eine genaue Strecke beantragen und diese nach deren Genehmigung abfliegen." Dafür brauche man eine Art automatisierte Flugsicherung, die einen konfliktfreien Verkehrsfluss sicherstellt. Zudem seien auch zuverlässige Navigations- und Kommunikationssysteme erforderlich. "Nachdem es aber wie gesagt eine evolutionäre Entwicklung sein wird, sind das keine Voraussetzungen, ohne die man nicht anfangen könnte. Vielmehr müssen diese Strukturen mit der Entwicklung des Marktes mitwachsen."
Wie weit sind wir damit in Bayern?
Sowohl Professor Hornung als auch Professor Holzapfel bewerten die bisherigen Bemühungen im Freistaat positiv: "Man kann durchaus sagen, dass wir eine gewisse Führung in diesem Bereich haben", so Mirko Hornung. "Es gibt viele Kompetenzen in Bayern, die man gezielt einzubringen versucht, um einen Schritt nach vorne zu machen. Von daher sind wir eigentlich schon einen guten Schritt weiter als andere Regionen - nicht nur deutschlandweit, sondern international." Florian Holzapfel ringt vor allem der Einsatz von Start-Ups und mittelständischen Betrieben auf diesem Gebiet großen Respekt ab. "Hier gibt es einige, zum Beispiel Elektra Solar, AutoFlightX oder Scylax, die auch international hohes Ansehen genießen und ganz vorne mitspielen. Bei den neuen Themen sind manche sogar weiter als Airbus und Co. Gerade daher ist es wichtig, dass der Freistaat diese neuen erfolgreichen Sterne am Luftfahrthimmel auch sieht und unterstützt." Noch wichtiger als finanzielle Zuschüsse seien hier laut Holzapfel Infrastrukturmaßnahmen. "Wir haben bei uns in Bayern einige 'Elon Musks', die auch selbst wissen, was sie brauchen und wie sie weiterkommen. Sie brauchen definitiv keinen 'Expertenrat', sondern passende Rahmenbedingungen. Bisher war Bayern in dieser Hinsicht vorbildlich - bleibt zu hoffen, dass das so bleibt."
Lesen Sie dazu auch: Lufttaxi-Modellprojekt in Ingolstadt startet