Bayern
Schuldneratlas 2022: So steht Ihr Viertel in der Kreide
28. Februar 2023, 18:35 Uhr aktualisiert am 28. Februar 2023, 18:35 Uhr
München - Die gute Nachricht zuerst: Im vergangenen Jahr waren weniger Münchner überschuldet als im Jahr zuvor. Doch so positiv wird die Entwicklung kaum bleiben. Gestern hat das Unternehmen Creditreform seinen Münchner Schuldneratlas 2022 vorgestellt. Gesellschaftliche Veränderungen bildet er nur mit starker zeitlicher Verzögerung ab: "Einschläge wirken sich wie eine Schockwelle sehr langsam aus", sagte Creditreform-München-Geschäftsführer Philipp Ganzmüller zu AZ.
Er und andere Experten rechnen damit, dass angesichts stark gestiegener Preise künftig auch zunehmend Verbraucher aus der Mittelschicht in finanzielle Schieflage geraten. Und trotz staatlicher Zuschüsse bei den Energiekosten rechnet Ganzmüller mit einem "Nachzahlungsschock" für viele Verbraucher.
Auch Energieversorger und karitative Vermieter wie Genossenschaften würden derzeit um ihre Existenz "zittern". Der Creditreform-Chef rechnet damit, dass einige "in die Knie gehen", also Insolvenz anmelden werden müssen.
Hier ist die Armut laut Schuldneratlas am größten:
Die ärmsten Stadtteile
Die Altstadt hat gemessen an seiner Bewohnerzahl die meisten Überschuldeten: 12,61 Prozent. "Es sind vor allem Senioren, die hier noch leben und finanzielle Probleme haben", sagt Philipp Ganzmüller. Hohe Quoten gibt es außerdem Am Hart (11,89 Prozent), in Ramersdorf (11,05 Prozent), Hasenbergl-Lerchenau (9,27 Prozent) oder in der Ludwigsvorstadt (9,88 Prozent).
Männer haben mehr Miese
"Männer sind traditionell doppelt so stark verschuldet wie Frauen", so Ganzmüller - auch wenn Frauen in den vergangenen Jahren aufgeholt hätten. Betrachtet man ganz München, hat fast jeder zehnte Mann Schulden (9,57 Prozent), das sind insgesamt 57 916 Männer, bei den Frauen sind es 4,84 Prozent, insgesamt 31 276. Gefährdet sind hier vor allem Alleinerziehende. Aber auch Senioren und Arbeitslose geraten leicht in die Schuldenfalle. Die meisten Männer mit großen finanziellen Problemen leben in der Altstadt (17,05 Prozent), die meisten Frauen Am Hart (8,79 Prozent).
40- bis 49-Jährige
Der Schuldneratlas gibt auch Aufschluss, welche Altersgruppe am meisten von Überschuldung betroffen ist: Es sind die 40- bis 49-Jährigen (9,62 Prozent). Im Bundesdurchschnitt ist diese Gruppe in München aber kleiner als im Rest der Republik. Anders schaut das bei der Altersgruppe 60+ aus: In München sind sie stärker von Überschuldung betroffen als im Bundesdurchschnitt.
Sorgenfreie Viertel
Das Viertel mit den meisten schuldenfreien Bewohnern ist Obermenzing. Hier ächzen nur 4,06 Prozent unter der Last, wie sie finanziell wieder auf einen grünen Zweig kommen können.
tiefster stand seit 15 jahren
Positiv ist, dass es im vorigen Jahr 6400 weniger überschuldete Münchner gab als im Jahr davor: Waren es 2021 noch 98 436, sind es 2022 noch 92 058 Personen - minus 6,5 Prozent. Finanzielle Mehrbelastungen haben sich bis Ende 2022 auf die Schuldnerquote also noch nicht ausgewirkt.
Die Zahl ist sogar ein neuer Tiefstand: München steht mit einer Quote von 7,36 Prozent auf dem niedrigsten Stand seit 15 Jahren (2021: 7,88 Prozent). "Viele unserer Mandanten sind mit den Gegebenheiten der Pandemie sehr bewusst umgegangen und vorsichtig gewesen bei finanziellen Ausgaben", sagt der Chef von Creditreform München Philipp Ganzmüller.
Marc Wichlajew, Leiter der städtischen Schuldner- und Insolvenzberatung, ergänzt, dass Verbraucher vorsichtiger waren: "Wir haben kaum noch Autofinanzierungen oder Immobilienfinanzierungen." Bedeutet: Solche Schulden waren in den Beratungen kaum Thema. Autos werden also abgeschafft oder keine neuen angeschafft und Immobilien gar nicht erst finanziert, da eh zu teuer.
Sozialreferentin Dorothee Schiwy, die wegen Krankheit bei der Vorstellung des Schuldneratlas nicht dabei sein konnte, macht den Schuldner-Rückgang daran fest, dass die Beratung ausgebaut wurde. 18 000 Personen jährlich suchten in den vergangenen drei Jahren Hilfe bei den städtischen Schuldnerberatern. Die Anzahl wurde um sechs auf insgesamt 23 aufgestockt. Marc Wichlajew, der Leiter der Schuldnerberatung, appelliert an Münchner, denen die Schulden über den Kopf wachsen: "Warten Sie nicht zu lange, kommen Sie zu uns!"