Urteil

Messerstiche auf wehrloses Baby: Lebenslang für Mutter

Der gewaltsame Tod eines arglosen Kindes erschüttert besonders. Warum besorgt sich eine Mutter ein Küchenmesser und sticht achtmal auf ihr kleines Mädchen ein? Auch mit dem Urteil bleiben viele Fragen unbeantwortet.


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Das Strafgesetzbuch und Akten liegen in einem Gericht auf dem Tisch.

Etwa sieben Monate nach dem gewaltsamen Tod eines Babys in einer Flüchtlingsunterkunft in Unterfranken sind die Gründe für die Tat auch mit dem Urteil nicht umfassend geklärt. Das Landgericht Schweinfurt verurteilte die angeklagte Mutter des etwa drei Monate alten Mädchens am Donnerstag zu einer lebenslangen Haftstrafe wegen Mordes. Doch die Kammer konnte am Ende der zweitägigen Verhandlung nicht sicher sagen, was die Frau aus Somalia zu der Messerattacke trieb. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. (Az: 11 Js 9519/22)

Verzweiflung, Hoffnungslosigkeit, Rachegedanken gegenüber dem Kindsvater? "Wir können alle nicht wissen, warum die Angeklagte diese Tat begangen hat", sagte die Vorsitzende Richterin. Sicherlich fühlte sie sich von den Problemen in ihrer Beziehung überfordert, sei vermutlich vom Ehemann geschlagen worden. "Sie hat sich insgesamt im Stich gelassen gefühlt." Dies rechtfertige allerdings nicht die Tat, die Frau sei von Selbstmitleid geprägt.

"Die Angeklagte war in ihrer Ehe unzufrieden", sagte die Staatsanwältin in ihrem Plädoyer. Sie habe sich nach ihrer Flucht von Somalia über die Türkei, Griechenland und Frankreich nach Deutschland von ihrem Mann trennen wollen, auch weil er ab und an handgreiflich gewesen sein soll. Am Tattag, dem 6. August 2022, habe der Vater des Kindes das gemeinsame Zimmer im sogenannten Ankerzentrum in Geldersheim verlassen. "Er hat mit seinen Freunden getrunken und geraucht und gespielt", schilderte die Juristin. "Die Angeklagte nahm dann etwa gegen 21.30 Uhr ein Küchenmesser (...) und stach damit insgesamt achtmal auf den Körper des Babys ein." Es verblutete.

Die Staatsanwaltschaft hatte die Frau wegen Mordes angeklagt, am Ende der Beweisaufnahme plädierte sie aber auf Totschlag. Mordmerkmale wie Heimtücke seien nicht erfüllt, weil der Kindsvater, der das Mädchen hätte beschützen können, bei der Tat mehrere hundert Meter entfernt gewesen sei, erklärte die Staatsanwältin. Sie beantragte eine Haftstrafe von neun Jahren.

Der Verteidiger der Frau schloss sich der Forderung für eine Verurteilung wegen Totschlags an, plädierte aber für eine Freiheitsstrafe von acht Jahren.

Womöglich wollte die Frau ihren Mann bestrafen, von dem sie sich nicht ausreichend unterstützt fühlte, sagte die Staatsanwältin. "Möglicherweise sah die Angeklagte in dem Kind auch selbst ein Problem, dass sie anders als ihre anderen Probleme beseitigen konnte."

Das Gericht sah das Mordmerkmal der Heimtücke erfüllt. "Der Vater hätte nicht den ersten Stich verhindern können", er hätte aber weitere Angriffe womöglich abwehren können, wenn er von der Attacke erfahren hätte, erklärte die Vorsitzende Richterin die Entscheidung gegen eine Verurteilung wegen Totschlags.

Nach Ansicht eines Psychiaters war die Somalierin damals schuldfähig. Es gebe lediglich Hinweise auf eine emotional instabile Persönlichkeitsstörung vom Borderline-Typ. "Sie ist sicherlich - wenn ihre Angaben stimmen - in ihrer Jugend massiv traumatisiert worden", sagte er. Aber psychisch krank sei sie nicht.

Die vermutlich 28 Jahre alte Angeklagte weinte am Urteilstag immer wieder. Wie alt sie wirklich ist, ist unklar, da Flüchtlinge mitunter ohne Papiere nach Deutschland kommen und ihr Alter dann geschätzt wird. Mithilfe einer Dolmetscherin sagte sie am Ende: "Ich habe meine Tochter geliebt. Ich habe mich sehr gefreut, als ich mit ihr schwanger war."