Bayern
Luftfilter an Bayerns Schulen: Ja oder Nein?
20. November 2021, 10:42 Uhr aktualisiert am 11. April 2023, 12:52 Uhr
Die Schulen sollen im zweiten Corona-Winter nicht noch einmal geschlossen werden. Um die Infektionsgefahr zu reduzieren, gibt die Regierung Geld für Luftfilter in Klassenzimmern. Der Nutzen der Geräte ist umstritten - und die Anschaffung geht schleppend voran.
München (dpa/lby) - Die Ansage von Ministerpräsident Markus Söder (CSU) Ende Juni war klar: "Im Herbst soll es in jedem Klassenzimmer und den Kitas mobile Lüfter geben." Inzwischen ist Mitte November - und noch längst nicht alle Klassenzimmer an Bayerns Schulen sind mit Luftfiltern ausgestattet. Die Gründe sind vielfältig, aus den Kommunen gibt es deutliche Kritik.
Nach Angaben des Kultusministeriums sind bislang Förderanträge für Luftfilter in mehr als 32.000 Klassenzimmern eingegangen. Insgesamt gibt es an Bayerns Schulen etwa 75.000 Klassenzimmer. "Die Anzahl der gestellten Anträge erhöht sich täglich", sagt ein Sprecher.
Laut Kultusministerium haben Kommunen und private Schulträger die Möglichkeit, über Förderprogramme auf Landes- und Bundesebene die Anschaffung der Geräte bis zu 50 Prozent teilfinanzieren zu lassen. Die Entscheidung, ob für Schulen Luftfilter beschafft werden, liegt demnach bei den Schulaufwandsträgern, nicht beim Freistaat.
In München läuft zurzeit die Ausstattung der Schulen - je nach Lieferkapazität, wie das Bildungsreferat mitteilt. Konkret bekommen 425 Einrichtungen Luftfilter für 5500 Räume der Jahrgangsstufen 1 bis 6. Bis zu den Weihnachtsferien sollen alle Zimmer fertig sein. Allerdings könnten Lieferverzögerungen wegen der großen Nachfrage auf dem Weltmarkt nicht ausgeschlossen werden.
Eine der Schulen, in deren Räume bereits Luftfilter stehen, ist das Anton-Bruckner-Gymnasium in Straubing. Von der Stadtverwaltung habe es die Ansage gegeben: Geld sei da, die Schulen könnten bestellen, sagt Rektorin Eva Huller. Sie wolle alle Möglichkeiten ausschöpfen, um das Infektionsrisiko an ihrer Schule zu reduzieren - deswegen die Entscheidung für die Filter. In den Herbstferien seien die Geräte geliefert und aufgebaut worden.
Der Nutzen der Luftfilter ist umstritten. Das Umweltbundesamt rät zu fest installierten Belüftungsanlagen. Wo diese nicht vorhanden oder nicht kurzfristig einzubauen seien, sollten die allgemeinen Hygieneregeln beachtet und regelmäßig die Fenster geöffnet werden. Einfache Zu- und Abluftanlagen oder mobile Luftreiniger könnten helfen, die Virenlast im Raum in einer Größenordnung "von bis zu 90 Prozent" zu reduzieren, heißt es bei der Behörde.
Manche Kommunen entscheiden sich gegen den Kauf mobiler Luftfilter - zum Beispiel das niederbayerische Abensberg. Bürgermeister Uwe Brandl (CSU), der auch Chef des Bayerischen Gemeindetags ist, sagte im Sommer, die Anschaffung stehe "in keiner vernünftigen Kosten-Nutzen-Relation".
Dass Verantwortliche in den Kommunen unterschiedlich über Luftfilter denken, bestätigt Bernd Buckenhofer, Vorstandsmitglied im Bayerischen Städtetag. Die Kommunen wollten nicht riskieren, unter Zeitdruck Lüftungsgeräte zu erwerben, "die sich letztlich als zu teuer oder zu wenig effektiv für die Lufthygiene erweisen".
Laut Buckenhofer hat die Staatsregierung zu hohe Erwartungen geweckt. "Von Anfang an war klar, dass sich bis zum Schuljahresbeginn nicht alle Klassenzimmer und Kita-Räume in Bayern mit Lüftungsgeräten ausstatten lassen." Zudem gebe es eine Fülle an unklaren Regeln bei der Auftragsvergabe, etwa die Prüfung von Lärmwert und Luftaustausch. Auch gebe es keine konkreten Angaben, welche Geräte geeignet seien.
Der bürokratische Aufwand sei enorm, sagt ein Sprecher des Städtetages und zählt auf: "Europaweite Ausschreibung, Angebote einholen, darüber entscheiden, Geräte bestellen und aufstellen, dann bezahlen und abrechnen." Bei einer Bestellung von 1000 Luftfiltern seien das mehrere Lkw-Ladungen voll. Die Energiekosten seien nicht unerheblich, hinzu komme die Wartung und der Tausch der Filter.
Auch ein Sprecher des Bayerischen Landkreistages spricht von einem "sehr heterogenen Bild". Manche Landkreise ließen Räume begutachten und entschieden anhand der fachlichen Expertise über eine Nachrüstung. Andere beschränkten sich auf die Klassenzimmer, die auf herkömmliche Art nur unzureichend belüftet werden können. Teilweise würden aber auch alle Unterrichtsräume ausgestattet.
Einen konkreten Überblick über die Zahl der tatsächlich vorhandenen Luftfilter in Schulen hat das Kultusministerium nach eigenen Angaben nicht - denn etliche Klassenräume seien bereits zuvor mit Belüftungsanlagen ausgestattet gewesen. Zudem könnten Schulen Geräte anschaffen, ohne die Förderung zu beantragen oder den Förderantrag nachreichen.
Im Oktober 2020 hatte der Freistaat 37 Millionen Euro für "technische Maßnahmen zum infektionsschutzgerechten Lüften" bereitgestellt. Im Sommer 2021 wurde eine weitere Förderrunde über 190 Millionen Euro beschlossen - diese läuft noch.
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