Dramatische Lage
Kliniken des ZRF Straubing an der Belastungsgrenze
12. November 2021, 11:04 Uhr aktualisiert am 12. November 2021, 12:16 Uhr
Die Corona-Lage in Niederbayern ist dramatisch. Mehrere Landkreise, darunter Rottal-Inn, Dingolfing-Landau und Passau, belegen auch bundesweit unrühmliche Spitzenplätze. Dementsprechend angespannt ist auch die Lage auf den Intensivstationen. Die Kliniken im Bereich des Zweckverbandes für Rettungsdienst und Feuerwehralarmierung (ZRF) Straubing (Landkreise Straubing-Bogen, Deggendorf, Regen, kreisfreie Stadt Straubing) warnen nun: Die Kapazitäten der Intensivbetten sind bereits jetzt nahezu erschöpft, eine heimatnahe Behandlungen nicht mehr in allen Fällen möglich.
"Die Notfalleinweisungen, nicht nur an Covid-Patienten, steigen stetig, die Intensivstationen sind immer vollständig ausgelastet. Die Behandlungskapazitäten für alle Patienten sind nahezu bereits erschöpft. Elektive Operationen sind eingestellt, um Bettenkapazitäten für Notfallpatienten zu erhöhen. Jede erforderliche Kapazitätserhöhung zur Behandlung von Covid-Patienten, geht zu Lasten von Non-Covid-Patienten", zeigt Ralf Hau, ärztlicher OP-Manager des Donau-Isar-Klinikums Deggendorf, auf.
"Planbare Operationen mit erforderlicher nachfolgender Intensivstationsbehandlungen können nur noch für dringendste Fälle durchgeführt werden", sagt auch Dr. Hannes Häuser, Ärztlicher Direktor und Pandemiebeauftragter des Klinikums Straubing. "Der Katastrophenfall wurde für uns direkt Beteiligten aus absolut nachvollziehbaren Gründen ausgerufen. Leider ist dieser absolute medizinische Versorgungsengpass in der Öffentlichkeit bei Weiten noch nicht angekommen."
Mehr Grafiken zur aktuellen Corona-Lage in Niederbayern und der Oberpfalz finden Sie in unserer Corona-Übersicht.
Erste Patienten mussten bereits verlegt werden
Christian Ernst, Ärztlicher Leiter Krankenhauskoordinierung im ZRF Straubing macht deutlich, was dies im konkreten Fall heißt: "Es müssen Covid-Intensivpatienten bayern- oder möglicherweise sogar deutschlandweit abverlegt werden. Diese strategischen Verlegungen sind notwendig, um in unseren Kliniken so lange wie möglich Individualmedizin und die Versorgung anderer Notfälle zu gewährleisten." Erste Beispiele, in denen Patienten aus der Region in andere Regierungsbezirke verlegt werden müssen, gibt es bereits. Ein Covid-Patient musste bereits aus dem Bereich des ZRF Straubing nach Burglengenfeld verlegt werden, teilweise werden auch Verlegungen von Non-Covid-Patienten erforderlich. Ebenso gibt es bereits Beispiele, dass keine heimatnahe regelhafte Versorgung von Notfällen mehr möglich ist. "Der Verlegungsdruck auf der Intensivstation ist entsprechend hoch, wird aber teilweise auch durch den Widerstand von Patienten bzw. Angehörigen konterkariert oder bis zu juristischen Androhungen unmöglich gemacht. Wir Mediziner müssen uns aber auch bei Verlegungsentscheidungen eindeutig von medizinischen Erfordernissen leiten lassen", so Dr. Häuser. Der am Mittwoch ausgerufene bayernweite Katastrophenfall gibt nun eine leichtere Grundlage für diese Maßnahmen, von denen Ernst ausgeht, dass er diese in seiner Funktion nun öfter anordnen muss.
Prognosen machen wenig Hoffnung
Und die derzeitigen Prognosen für die Krankenhäuser zeigen, dass die Spitze noch längst nicht erreicht ist. "Wenn die Prognosen zutreffen, dass in 14 Tagen mehr als die Hälfte der Intensivpatienten Covid-19-Patienen sein werden, dann wird es uns endgültig überrollen", betont Ernst. Unisonso betonen deshalb alle Klinik-Vertreter: "Wir können alle Unentschlossenen nur maximal zur Impfung aufrufen und alle anderen zur Auffrischungsimpfung. Nur ein flächendeckender Impfschutz kann die schweren Verläufe verhindern, die nun das Nadelöhr Intensivstationen für alle über viele Wochen hin blockieren und in einen nie dagewesenen Katastrophenmodus versetzen." Denn extrem frustrierend für das Personal ist der Umstand, dass überwiegend ungeimpfte Patienten intensivpflichtig werden. "Unsere jüngste Covid-Patientin ungeimpft auf Intensivstation war unter 18 Jahren" sagt Dr. Häuser. "Geimpfte Patienten, die hospitalisiert werden müssen, weisen deutlich weniger schwere Verläufe auf und befinden sich überwiegend auf der regulären Covid-Station des Klinikums."
Betten gibt es - aber nicht genügend Personal
Die Situation sei nicht vergleichbar mit den Wellen im vergangenen Winter. "Sie ist deutlich schlimmer", sagt Ernst. Gerätschaften und Betten stünden im Intensivbereich zur Verfügung, aber das Personal ist deutlich weniger geworden. In Straubing sind aktuell bereits durch die Personalverschiebungen mehr als 50 Betten des Klinikums nicht belegbar. In Deggendorf sind von 32 Intensivbetten aktuell nur 23 belegbar. "Das noch vorhandene Personal ist physisch und psychisch an den Belastungsgrenzen. Trotz permanenter medialer Präsenz des Pflegemangels wurden keine Maßnahmen zur Entlastung eingeleitet. Die Perspektivlosigkeit lässt weitere Pflegekräfte abwandern und gefährdet die Versorgung von Patienten in der aktuellen Situation dramatisch. Potentielle Bewerber für Ausbildungsberufe werden durch die gegebenen Umstände abgeschreckt", so Angela Schwarz von den Arberlandkliniken in Viechtach und Zwiesel.
Erfahrungen, die auch Robert Betz, Vorstand der Kreiskliniken Bogen-Mallersdorf kennt: "Die Pflegefachkräfte auf den Intensivstationen arbeiten jetzt wieder über ihr Limit hinaus. Unterstützt werden sie, wie in allen Klinken des ZRF Straubing mit Intensivbetten, vom Anästhesiepersonal, das durch das Herunterfahren von planbaren Operationen frei gesetzt wurde, sowie durch Ärzte aus dem Vorder- und Hintergrunddienst. Aber auch diese Reserven sind begrenzt und keine Dauerlösung. Ein Notfall-OP-Betrieb muss weiterhin aufrechterhalten werden und der wiederholte fachfremde Einsatz von Personal schürt Unzufriedenheit und weitere Abkehr von den gerade so dringend benötigten Berufen."
Christian Ernst weist abschließend noch einmal eindringlich auf die Lage hin, um die Öffentlichkeit für die mehr als dramatische Situation zu sensibilisieren: "Wir versuchen, die Individualmedizin so lange wie möglich aufrecht zu erhalten, aber es wird nicht mehr lange gelingen. Wir sind jetzt in einem Zeitpunkt der Pandemie, auch untermauert durch den K-Fall, in dem persönliche Dinge hinten angestellt werden müssen. So bitter das häufig auch für Patienten oder Angehörige sein mag. Aber strategische Verlegungen sind die einzige Möglichkeit, die Versorgung von Notfällen - zumindest für den nächsten Zeitraum - weiter zu gewährleisten."