Bayern

Kein Raum für die Kreativen

Wie lange können sich Künstler, Musikerinnen, Theaterleute in München noch halten? Günstige Ateliers gibt es kaum. Und Wohnungsmieten tun ihr Übriges.


Christian Landspersky und Jamila Schäfer vor der Installation Sugar Muscles von Julia Walk.

Christian Landspersky und Jamila Schäfer vor der Installation Sugar Muscles von Julia Walk.

Von Verena Lohr

Obersendling - "Wir brauchen Räume in München, wo sich Menschen noch erfinden und Herausforderungen stellen können - sich noch etwas trauen", sagt Stephanie Müller (43), Performancekünstlerin, Musikerin und Modeschöpferin. Mit ihren roten Haaren, den knallig bunten Klamotten und einer Lego-Figur an ihrer Kette fällt sie auf.

Sie lebt und arbeitet in München. Gemeinsam mit ihrem künstlerischen Partner Klaus Erika Dietl (48) mietet sie seit 2013 ein Atelier in den Räumlichkeiten der Platform in Obersendling. In dem gelb-blauen Betongebäude erstrecken sich auf einer 2000 Quadratmeter großen Etage die Ateliers.

Der Raum der beiden ist bis oben hin mit Instrumenten, Nähmaschinen, Stoffen und allerlei sonderbaren Dingen, wie einem zum Musikmachen umfunktionierten Rasenmäher, gefüllt. Um die neun Euro pro Quadratmeter zahlen sie. "Es ist ein Schatz sowas wie hier zu haben", sagt Müller. Denn in München fehlt es an Räumen. Für etwa 3000 Kunstschaffende zählt der Berufsverband Bildender Künstlerinnen und Künstler München und Oberbayern gerade mal 680 Ateliers, wobei 25 Prozent davon eine unsichere Zukunft haben. Zudem liegt die durchschnittliche Miete der Räume bei 415 Euro im Monat, so eine Studie des Instituts für Strategieentwicklung im Juli 2022.

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Die Künstlerin Maria Margolina hat diese Installation in der Platformaufgebaut.

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Stephanie Müller bei einer Performance mit ihrer selbst geschaffenen Mode.

Christian Landspersky (40) ist Projektleiter der Platform, ein Qualifizierungsprojekt der Stadt München für Kulturschaffende. Dort erhalten diese die Möglichkeit, "ihre Kenntnisse aus der Akademie für bildende Künste in die Praxis umzusetzen", so Landspersky. Außerdem werden 23 Ateliers an professionell arbeitende Künstler in einem Auswahlverfahren vergeben. Verwaltet und vermietet werden diese von der Münchner Arbeit GmbH.

Stephanie Müller sieht das Problem auch in den Mietpreisen für den Wohnraum. "Die Frage ist, wie lange man sich überhaupt in München halten kann", sagt sie. Denn kaum eine kunstschaffende Person in München kann sich die Miete ohne zusätzliche Jobs leisten. Über die Hälfte arbeitet zusätzlich rund 21 Stunden in der Woche in Berufen außerhalb ihrer Kunst. Das Durchschnittseinkommen der Künstlerinnen und Künstler liegt dennoch bei 962 Euro netto im Monat. Zum Vergleich. Ein WG-Zimmer in München kostet durchschnittlich rund 644 Euro.

Jamila Schäfer (30) ist grüne Abgeordnete der Bundestagsfraktion und direkt gewählte Abgeordnete für München-Süd. Im Zuge des zwölften Förderpreises für junge, aufstrebende Kunst des Kunstclub13 hat sie die Räumlichkeiten der Platform jüngst besucht.

"Ich habe viele Ideen, jedoch gibt es für manche davon noch keine politische Mehrheit", so Schäfer. "Kommunen brauchen mehr Geld, um eine lebendige und stabile Demokratie zu ermöglichen. Dafür müsste man die Kommunalfinanzen auf ein sicheres Fundament stellen". Um auf die Probleme der Künstlerinnen und Künstler in München besser eingehen zu können, müssten Menschen mit sehr hohem Vermögen höher besteuert werden. Und auch Immobilienspekulation müsste wirklich eingedämmt werden. Stephanie Müller sieht auch ihre Mit-Münchner in der Pflicht - diejenigen, die etwas mehr haben: "Wir sollten uns gegenseitig mehr unterstützen."