Eilantrag aus Regensburg
Kann das „Irish Harp“ Präzedenzfall in Bayern werden?
23. Juli 2020, 18:13 Uhr aktualisiert am 23. Juli 2020, 18:40 Uhr
Die Regensburger Musikkneipe "Irish Harp" will wieder aufsperren, notfalls per Gerichtsbeschluss. Nachdem die Wirtin Aleksandra Manston beim Verwaltungsgericht in Regensburg mit ihrem Vorhaben nicht durchkam, hat sie nun einen entsprechenden Antrag beim bayerischen Verwaltungsgerichtshof eingereicht. Ihr Anwalt Urs Erös sieht gute Chancen auf Erfolg - der dann dann möglicherweise Konsequenzen für alle bayerischen Bars und Kneipen hätte.
"Wir haben eine sehr absurde rechtliche Situation in der Gastronomie derzeit", sagt der Regensburger Rechtsanwalt Urs Erös von der Kanzlei Eroes & Kollegen im Gespräch mit idowa. Er meint damit, dass die Schankwirtschaften noch immer zwangsweise stillgelegt sind, während Restaurants und alles, was eine Speiselizenz hat, schon wieder öffnen darf. "Entscheidend sollte sein, dass der Wirt ein Hygienekonzept hat - und das hat unsere Mandantin vorgelegt. Wir sehen keinerlei Grundlage mehr für die Ungleichbehandlung von Restaurants und Kneipen."
Erös und "Harp"-Wirtin Aleksandra Manston haben einen Eilantrag gegen die Infektionsschutzverordnung beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof eingereicht. Die Forderung: Das "Harp" soll wieder öffnen können, auch als reine Schankwirtschaft, ohne Konzession für den Verkauf von Speisen. Anwalt Urs Erös sieht sich und sein Team gut vorbereitet. Die Anwälte hätten bei den zahlreichen negativen Gerichtsbescheiden, die es auf ähnliche Anträge gegeben hatte, die Begründungen ausgewertet. Der aktuelle Antrag argumentiere konsequent gegen die Bewertungen, zu denen die Gerichte zuvor gekommen waren.
Wie Sandwiches Türen öffnen können
Schon jetzt bekommt die Verordnung, die es den Kneipen verbietet, ihre Tore und Zapfhähne zu öffnen, Risse: Einige Wirte, etwa das "Olle Gaffel" in Regensburg, nutzen bereits vorhandene Speisekonzessionen, die noch bei den Gaststätten oder ihren Gebäuden liegen. Einige Paninis oder Sandwiches auf die Karte - dann ist die Lizenz zum Ausschank möglich. Es gebe auch Kooperationen von Bars und Restaurants, die dann quasi als Gemeinschaftsprojekt den Segen der Ordnungsämter erhalten. Der rechtliche Flickenteppich wird immer bunter. Ein bisschen muten die Verhältnisse an wie im Jahr 2008, als das Gesetz zum Nichtraucherschutz in Bayern frisch eingeführt war - und alle Wirte über Vereine, geschlossene Gesellschaften und andere rechtliche Konstruktionen das Rauchverbot unterliefen. "Die handelnden Personen sind auch zum Großteil dieselben", erklärt Urs Erös. Der Verein zum Erhalt der bayerischen Wirtshauskultur unterstütze die Antragssteller finanziell.
Ziel sei aber nicht, juristische Schlupflöcher zu finden, sondern die nach Ansicht vieler Barbetreiber absurde Rechtslage zu beenden, sagt Urs Erös: "Wenn unser Antrag erfolgreich ist, wird das natürlich Konsequenzen für viele Bar- und Kneipenbetreiber in Bayern haben. Wir beantragen eine sogenannte summarische Prüfung, ob die Verordnung der Staatsregierung noch rechtmäßig ist." Angesichts des zurückgegangenen Infektionsgeschehens sei die Güterabwägung neu vorzunehmen - die Abwägung zwischen dem Schutz der Bevölkerung und dem Recht auf freie Berufsausübung sowie dem verfassungsmäßig garantierten Gleichbehandlungsgrundsatz. Wahrscheinlich scheint: Hätte das "Irish Harp" Erfolg mit seinem Antrag, dürften wohl auch viele andere Musikkneipen und Bars in Bayern wieder aufmachen.
Huml erteilte Bar-Öffnungen in absehbarer Zeit eine klare Absage
Noch bei einem Pressegespräch Anfang dieser Woche in Regensburg hatte die bayerische Gesundheitsministerin Melanie Huml auf Nachfrage dem Ansinnen nach einer Perspektive für die Öffnung der Bars eine klare Absage erteilt. Eine Öffnung der Kneipen in absehbarer Zeit sei unter keinen Umständen möglich. Im Grundsatz ein Schlag ins Gesicht der Wirte, meint Urs Erös von der Regensburger Kanzlei Eroes & Kollegen: "Die Vertreter der Staatsregierung argumentieren, dass sie nicht glauben, dass die Wirte dafür sorgen können, dass Hygiene- und Abstandsregeln eingehalten werden, sobald die Leute Alkohol trinken. Regeln hat es in der Gastronomie aber doch schon immer gegeben, und die Mehrzahl der Wirte konnte sicherstellen, dass dagegen nicht verstoßen wurde."
Wieso die Zuverlässigkeit der Wirte derart in Frage gestellt wird, verstehe er nicht, sagt Erös: "Es ist doch besser, wenn in der jetzigen Situation jemand die Verantwortung übernimmt, bevor die Leute zu tausenden auf den Straßen und unter freiem Himmel feiern, wo dann niemand mehr zuständig ist."
Auch Grüne im Landtag für baldige Öffnung
In einer aktuell veröffentlichten Erklärung hatten sich die Grünen im Regensburger Stadtrat sowie grüne Abgeordnete im Landtag für eine Öffnungs-Perspektive für die Clubszene stark gemacht: "Wir fordern einen runden Tisch mit Clubs, Livemusikspielstätten und den zuständigen Ministerien, um eine geordnete und kontrollierte Öffnung unter Berücksichtigung von Infektionsschutz und Infektionsnachverfolgung vorzubereiten. Das Hin und Her unter der fehlenden Regie von Ministerpräsident Söder muss ein Ende haben." Clubs und Livemusikspielstätten bräuchten schnell eine langfristige Perspektive. Unterzeichner der Erklärung sind Sanne Kurz, die kulturpolitische Sprecherin der Landtags-Grünen, Erhard Grundl, der Sprecher für Kulturpolitik der Bundestags-Fraktion Bündnis 90/Die Grünen und Stefan Christoph, der Fraktionsvorsitzende der Grünen im Regensburger Stadtrat.
Auch die Erklärung der Grünen argumentiert in Teilen mit einem besseren Infektionsschutz, den eine Öffnung bringen würde. Eins sei klar: Menschen tanzen und feiern: "Eine kontrollierte Öffnung von Clubs mit Hygienekonzepten könnte das Nachtleben draußen - in Regensburg konkret auf der Jahninsel und am Grieser Spitz - entzerren. Damit wäre es eine Maßnahme zum Infektionsschutz genauso wie zum Lärmschutz", schreiben die Grünen-Politiker in ihrer Mitteilung an die Presse.
Mit der Entscheidung, auf die wohl nicht wenige Kneipen- und Barbesitzer warten, rechnet Anwalt Erös innerhalb der kommenden Woche: "Für mich ist die Entscheidung auch ein Lackmustest, inwiefern die Gewaltenteilung in Bayern noch funktioniert", sagt Rechtsanwalt Urs Erös.