Fragen und Antworten
Immer mehr Corona-Mutationen: Was die Fälle in Bayern bedeuten
30. Januar 2021, 7:46 Uhr aktualisiert am 4. April 2023, 10:02 Uhr
Im Freistaat sinken die Corona-Fallzahlen. Eigentlich ein Grund zur Freude, doch die Sorge vor neuen Varianten des Virus ist groß. Worauf muss sich das Land einstellen?
In Bayern überschlagen sich gerade die Meldungen zu hochansteckenden Corona-Mutationen. Nur wenige Fälle sind bislang tatsächlich bestätigt, doch das könnte sich bald ändern. Die Antworten auf drängende Fragen:
Wie viele Mutationen gibt es in Bayern?
Viren mutieren ständig. "Es ist quasi eine Überlebensstrategie", erklärt Christoph Spinner, Oberarzt für Infektiologie am Klinikum rechts der Isar. Da den Überblick zu bekommen, sei nahezu unmöglich - aber auch gar nicht so entscheidend. Nur weil sich das Virus verändert, sei es nicht automatisch ansteckender oder hat schlimmere Krankheitsfolgen. Theoretisch könne sich ein Virus auch in eine günstigere Richtung entwickeln.
In Bayern sind gerade zwei Mutationen besonders im Fokus: Die Variante B.1.1.7 aus Großbritannien und die Variante B.1.351 aus Südafrika. Die südafrikanische Variante wurde nach Informationen des Landesamts für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL) vom Freitag im Landkreis Rosenheim nachgewiesen.
Die britische Variante ist laut LGL Stand Freitag bei jeweils zwei Proben in München im Landkreis Dingolfing bestätigt worden. In Erding, Bayreuth, Passau und im Landkreis Landsberg am Lech gab es demnach jeweils einen bestätigten Fall der britischen Variante.
Warum gibt es plötzlich so viele Verdachtsfälle von Mutationen in Bayern?
Das Klinikum Bayreuth meldete 23 Verdachtsfälle, in einem Altenheim in Selb (Landkreis Wunsiedel) könnten sich fünf Bewohner mit der britischen Variante infiziert haben und im Landkreis Neu-Ulm gibt es einen Verdacht zur dänischen Mutation - und das ist nur eine kleine Auswahl von Verdachtsfällen der vergangenen Tage in Bayern.
Vermutlich gab es auch schon davor zahlreiche Fälle, aber es hat sie schlichtweg keiner untersucht. Erst seit 19. Januar werden zumindest fünf Prozent aller positiven Corona-Ergebnisse bundesweit im Hinblick auf eine Mutation analysiert.
Die Methoden dafür müssen gerade erst in einer Reihe von privaten und staatlichen Laboren in Bayern etabliert werden, erklärte eine LGL-Sprecherin. Aber auch diese Labore können meistens nur mit einem PCR-Verfahren eine hohe Wahrscheinlichkeit für eine Mutation herausfinden - es handelt sich also um Verdachtsfälle.
Warum dauert die Bestätigung von Verdachtsfällen in Bayern so lange?
Ob der Verdacht wirklich stimmt, kann nur mit einer sogenannten Gesamtgenom-Sequenzierung überprüft werden. Dafür braucht es spezialisierte Labore, berichtet Christoph Spinner. Erst müsse das Erbgut des Virus decodiert werden, danach würden die Ergebnisse bewertet.
Das "ist ein sehr aufwendiges und kostenintensives Verfahren und benötigt je nach Labor und Probenumsatz zwischen circa 7 und 14 Tagen", teilte die Sprecherin des Landesamts für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit mit. Im LGL könnten momentan rund 80 Proben pro Woche sequenziert werden.
Wie gefährlich sind die Mutationen aus Großbritannien, Südafrika und Dänemark?
"Mit der Bewertung von Varianten muss man grundsätzlich vorsichtig sein: Es gab bereits Tausende von Mutationen im Laufe der Pandemie", sagte die LGL-Sprecherin. Ob eine Variante beispielsweise besonders ansteckend sei, lasse sich nur mit zahlreichen Experimenten und Daten bestimmen.
Besorgniserregend seien in Bayern momentan die Varianten aus Großbritannien und Südafrika. "Man befürchtet eine leichtere Übertragbarkeit, was in letzter Konsequenz eine stärkere Belastung des Gesundheitssystems zur Folge hätte", teilte die Sprecherin mit. Hinweise auf einen schwereren Krankheitsverlauf gebe es nicht.
In den Landkreisen Neu-Ulm, Ansbach und Berchtesgadener Land gab es zuletzt auch einige Verdachtsfälle der dänischen Variante. Das Virus mutierte in Nerzen, die in Dänemark massenhaft getötet wurden. Inzwischen scheint die sogenannte Cluster-5-Variante eigentlich nicht mehr bei Menschen zu zirkulieren, meinte die Sprecherin. Es gebe aber auch keine Hinweise, dass die dänische Mutation gefährlicher sei.
Sind die teilweise sehr strengen Schutzmaßnahmen bei Verdachtsfällen verhältnisgemäß?
Wegen Verdachtsfällen gilt im Klinikum Bayreuth Aufnahmestopp. Mitarbeiter dürfen nur noch ohne öffentliche Verkehrsmittel zur Arbeit kommen und sind sonst in Quarantäne. Ähnliche Regeln gelten für Angestellte eines Unternehmens im Landkreis Hof und des Altenheims in Selb. In Teilen Oberfranken müssen die Abschlussklassen anders als im Rest Bayerns weiter im Distanzunterricht lernen - auch hier nur wegen Verdachtsfällen.
Schon bei einem Verdacht sei Vorsicht geboten, meint Oberarzt Christoph Spinner, der in einem Podcast über die Gefahren des Coronavirus aufklärt. "Insbesondere den Mutationen, die mit einem hohen Risiko erhöhter Transmission einhergehen sollte wirksam entgegen getreten werden." Noch handle es sich bei der britischen Variante hierzulande nur um Einzelfälle, während sie sich in Großbritannien rapide verbreitet habe.
Wie wird es in Bayern weitergehen?
Die Verbreitung der ansteckenden Mutationen sei aber "auch in Bayern nur eine Frage der Zeit", befürchtet Spinner. Die Untersuchung der Mutationen soll deshalb weiter ausgebaut werden, es laufen Absprachen mit den bayerischen Universitätskliniken. Aber auch die komplizierte Sequenzierung wird extra vergütet. Mit dem finanziellen Anreiz sei davon auszugehen, "dass nach und nach mehr Labore diese Feindiagnostik durchführen werden", meinte die Sprecherin des LGL.
Selbst wenn die Corona-Fallzahlen sinken, sind weitere Lockerungen im Freistaat wohl erst einmal nicht in Sicht. Eine Verbreitung der Mutation parallel zu einer überstürzten Lockerung wäre "toxisch", hatte Ministerpräsident Markus Söder (CSU) erst vor wenigen Tagen betont.