München
Ein Auto wie eine Bombe: Urteil gegen Raser
2. März 2023, 18:16 Uhr aktualisiert am 3. März 2023, 14:55 Uhr
"Ein Auto ist bei der Geschwindigkeit wie eine Bombe", sagt die Staatsanwältin. Kurz darauf verurteilt das Amtsgericht München einen 26-Jährigen wegen eines tödlichen Raserunfalls zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren auf Bewährung. "Sie werden ihr Leben lang damit irgendwie klarkommen müssen, dass sie den Tod ihres Freundes verursacht haben", sagt die Richterin in ihrer Urteilsbegründung. "Es geht nicht vorbei und es wird sie ein Leben lang belasten."
Der Angeklagte sei "nicht der klassische Kriminelle", sagt sie am Freitag. Er sei ein junger Mann, der sich selbst überschätzt habe - mit "der schlimmstmöglichen Folge".
Mit mindestens zwischen 305 und 310 Kilometern in der Stunde waren die beiden jungen Männer in der Nacht auf dem 1. September 2019 auf der Garmischer Autobahn bei München unterwegs, als der gemietete Sportwagen von der Fahrbahn abkommt, gegen einen Baum prallt und in Flammen aufgeht. Von einer "Rakete" sprechen Zeugen vor Gericht, von einem "Feuerball" die Staatsanwältin: "Jeder kleine Fehler führt dazu, dass dieses Auto zu einer tödlichen Waffe wird."
Nun - mehr als drei Jahre nach diesem furchtbaren Unfall - wird der inzwischen 26 Jahre alte Student wegen eines illegalen Kraftfahrzeugrennens und fahrlässiger Tötung verurteilt. Er entschuldigt sich noch einmal bei der Familie seines Freundes, sagt, er hoffe, irgendwann mit ihnen an einem Tisch sitzen und über alles reden zu können.
"Das Ganze dauerte keine fünf Sekunden", sagt die Staatsanwältin über den Unfall und vergleicht das Fahrverhalten der beiden jungen Männer, die sich am Steuer immer wieder abwechselten, um den Wagen, den sie für ein paar Tage gemietet hatten, an seine Grenzen zu bringen, mit einem "Seiltänzer auf einem Drahtseil - ohne Sicherung". Dabei äußert sie auch ihr fehlendes Verständnis für ein fehlendes Tempolimit auf deutschen Autobahnen: "Man darf eben mit 350 auf einer deutschen Autobahn fahren."
Sie hatte - ebenso wie die Verteidigung - eine Bewährungsstrafe gefordert. Der Anwalt der Familie des getöteten jungen Mannes hatte als Nebenkläger-Vertreter eine Freiheitsstrafe ohne Bewährung gefordert. Das Gericht verhängt zusätzlich zur Bewährungsstrafe auch 400 Arbeitsstunden und eine Führerschein-Sperre für weitere drei Jahre, seine Fahrerlaubnis ist er nach Angaben seines Anwalts schon seit 2021 los.
Das Urteil fällt auch darum vergleichsweise milde aus, weil der Beifahrer vor dem Fahrertausch selbst über die Autobahn gerast war. Der Strafrahmen für ein illegales Autorennen, das tödlich ausgeht, liegt sonst bei bis zu zehn Jahren. Raser sind nach tödlichen Unfällen auch schon wegen Mordes angeklagt worden.
Weil das Auto in Flammen aufging, völlig zerstört wurde und der Beifahrer mit seinem Sitz aus dem Wagen geschleudert wurde, hatte es zunächst geheißen, der gestorbene junge Mann habe am Steuer gesessen - und nicht der jetzt Angeklagte.
Dieser gab vor Gericht an, sich nicht an den Unfall erinnern zu können. Dass er die Ermittler absichtlich auf die falsche Fährte geführt hätte, um einer Strafe zu entgehen, sah das Gericht in der Urteilsbegründung nicht. Es ging von einer retrograden Amnesie des Angeklagten nach dem Unfall aus.
Die Staatsanwaltschaft entschuldigte sich am Freitag bei der Familie für die Ermittlungsarbeit und dafür, dass die Angehörigen monatelang davon ausgingen, der Getötete habe am Steuer gesessen. Es sei "unzureichend kommuniziert" worden.
Die Staatsanwältin wendet sich auch immer wieder eindrucksvoll und sehr direkt an den Angeklagten selbst, wirft ihm vor, die Ermittlungen behindert zu haben. "Es geht einfach darum, Verantwortung zu übernehmen", sagt sie zu ihm und betont, "dass man sich den Dingen, die man getan hat, einfach stellen muss". Er müsse dazu stehen und sagen: "Mein bester Kumpel ist tot, weil wir Vollidioten waren."