Bayern
Diese Viertel bekommen die Gelbe Tonne
25. April 2023, 18:25 Uhr
München - Menschen, die aus München wegziehen, sind froh, dass sie es hinter sich haben. Und für Menschen die herziehen, ist es erstmal schwer vermittelbar: Wer Verpackungsmüll vom Restmüll trennt, muss regelmäßig mit Mülltüte durch die Nachbarschaft laufen, bis zu einem der beigen Container im Viertel, neben den Altglastonnen. In München stehen seit 1991 etwa 1000 solcher sogenannter Wertstoffinseln. Doch die Kunststoffcontainer sehen nicht nur aus wie die für Flaschen, sondern haben auch gleich große Öffnungen. Da kann es einem schon mal passieren, dass der volle Müllbeutel beim Versuch, ihn durch die abendbrottellergroße Luke zu stopfen, einreist und man alles einzeln aufsammeln muss.
30 Jahre gibt es die Wertstoffinseln in München schon
Aber nach über 30 Jahren dieser unbequemen Praxis soll damit jetzt Schluss sein. Der städtische Abfallwirtschaftsbetrieb (AWM) will ab 2024 für zwei Jahre drei verschiedene Alternativen testen: den Gelben Sack, die Gelbe Tonne und das Konzept der Wertstofftonne. Bei Letzterer ist der Unterschied, dass man dort neben Verpackungen auch andere Kunststoffgegenstände, wie Quietscheente, Teflonpfanne oder leere Plastikeimer entsorgen kann.
Wer sich jetzt auf eine zusätzliche Tonne mit gelbem Deckel im Innenhof freut, in der man Milchtüten, Nudelpackungen und leere Tomatendosen praktisch mit kurzem Weg wegwerfen kann, der wird enttäuscht sein. Denn das gelbe Pilotprojekt startet zunächst in fünf ausgewählten Münchner Stadtbezirken: Einen gelben Sack bekommt ein Großteil des Stadtteils Lehel. Die Gelbe Tonne wird in Schwabing-Mitte und in einem Teil von Allach getestet. Die Wertstofftonne wird dagegen in Westend-Schwanthalerhöhe, sowie in einem Teil von Solln getestet.
Zusätzliche Kosten verursacht der Gelbe Sack nicht, verspricht die Stadt
Zusätzliche Kosten kämen auf die Haushalte im Testgebiet nicht zu, sagt Kristina Frank (CDU), die Leiterin des Kommunalreferats. Für die Haushalte im Lehel würden im Januar 2024 eine erste Ration gelber Säcke ausgegeben. Zweimal pro Woche würden sie von den privaten Entsorgungsbetrieben, die für Verpackungskunststoffe zuständig sind, abgeholt. "Wir sind nicht sicher, wie das die Leute finden, wenn da dann Säcke vor den Häusern liegen", sagt Frank, die als Kommunalreferentin auch die Werksleiterin der AWM ist.
Gemeinsam mit Bürgermeisterin Verena Dietl (SPD) präsentierte sie an diesem Dienstag erste Modelle der neuen Tonnen und Säcke. In einer Pose für die anwesenden Fotografen stehen sie Schulter an Schulter und deuten an, jetzt mit den Tonnen mit den gelben Deckeln loszuschieben. Es soll nach Aufbruch aussehen. Aber bis alle Münchner Haushalte an das neue Konzept angeschlossen werden, ist es frühestens 2027.
In München fällt zu viel Kunststoffmüll an
Gleichzeitig wolle die Stadt das Pilotprojekt auch als Kampagne nutzen. "Die Münchner Haushalte produzierten zu viel Kunststoffmüll," sagt Verena Dietl. Wäre das Siegestor ein Hohlkörper, könnte man ihn an nur einem Tag mit dem Kunststoffmüll aus dem Stadtgebiet füllen. Die Datenerhebung im Voraus dauert, das weiß auch Kristina Frank. Aber sie sei notwendig um herauszufinden welcher Weg aus praktischer, ökologischer, sozialer und finanzieller Sicht am sinnvollsten ist. "Wir wollen keinen schnellen Wurf, sondern wirklich das beste System für München", sagt sie.
Was sich alle Haushalte, die im Pilotgebiet liegen, künftig sparen können, ist das Schaulaufen mit der vollen Mülltüte. Aber ab und zu kommt man an den Containern trotzdem nicht vorbei: Denn Weinflaschen, Gurken- und Marmeladengläser werden fachgerecht auch weiter in den Containern oder am Wertstoffhof entsorgt. Die Probehaushalte mit den Tonnen haben künftig die Schwierigkeit, einen zusätzlichen Stellplatz im Hinterhof oder im Müllhäuschen zu finden.
Wertstoffinseln sind bislang ein Herd andauernder Konflikte
Bisher waren die Wertstoffinseln ein Quell andauernder Konflikte. Zu laut, das bleibt. Drumherum voller Müllsäcke, Flaschen und Sperrmüll. Ob sich das durch die "gelben Systeme" bessert, müsse sich im Versuch erst zeigen, sagt Kristina Frank.
Anders als viele denken würden, sei es nicht leicht, das bestehende System umzuschmeißen. Für die Entsorgung von Kunststoffverpackungen ist bundesweit der Handel zuständig, in dessen Auftrag betreiben private Müllfirmen die Entsorgung. In München sind das die Betriebe Remondis und Wittmann. Sie sind auch für das Leeren der Container auf den sogenannten Wertstoffinseln zuständig und für die Verwertung des Inhalts.
Die Stadt geht von einer Recyclingquote bis zu 50 Prozent aus
Viele Menschen glauben, dass der Müll am Ende sowieso zusammengeschmissen und verfeuert wird. Sie denken, dass es nichts bringt zu trennen, sagt Kommunalreferentin Frank. Auch um solchen Argumenten seriös zu begegnen, sei die Erhebung wichtig. "Remondis und Wittman haben zum Recyclinganteil des Kunststoffmülls bisher keinerlei Zahlen rausgegeben", sagt Frank. Im Kommunalreferat gehe man aktuell von 40 bis 50 Prozent aus. Das System, das bis Ende 2026 am effizientesten ist, soll künftig die Recyclingquote für den Kunststoffmüll in München insgesamt erhöhen.
Die Daten sollen dabei wissenschaftlichen Standards entsprechen. Dazu wollen Kommunal- und Umweltreferat begleitend eine Studie in Auftrag geben. "Damit wird auch die Ökobilanz der vier Varianten geprüft", sagt Kristina Frank. Um beispielsweise sagen zu können, wie lange die jeweiligen Transportwege sind, wo sich die Restmüllmenge am meisten verringern lässt und mit welchem System der höchste Anteil wiederverwertet werden kann.
Der Versuch dauert drei Jahre
Warum das Ganze gleich drei Jahre dauert, begründet die Kommunalreferentin auch damit, dass man die vier Varianten unter verschiedenen Bedingungen erproben will: Stinken gelbe Säcke etwa im Sommer, werden sie von "Tieren" aufgebissen, was passiert, wenn es einen Streik bei den Müllarbeitern der privaten Betriebe gibt. All das erfordere die Zeit. Und die meisten Münchner müssen so bis 2027 weiter mit ihren Mülltüten zur nächsten Insel laufen.