Bayern

Die erste begehbare Brauerei: Die Baustelle fürs "Münchner Kindl" nimmt langsam Form an

Modern und historisch zugleich wird der Neubau in Obergiesing. Die AZ hat sich alles zeigen lassen.


Ein original Eis-Waggon aus dem Jahr 1910. Über Löcher im Dach kam das Stangeneis zur Bierkühlung hinein. Links oben ist das Bremser-Häusl.

Ein original Eis-Waggon aus dem Jahr 1910. Über Löcher im Dach kam das Stangeneis zur Bierkühlung hinein. Links oben ist das Bremser-Häusl.

Von Ruth Frömmer

München - Benno und Robert befinden sich noch in der Ausbildung. Nach ihrem Abschluss treten die beiden Percheron-Kaltblüter im Frühjahr 2024 gemeinsam ihren Job als waschechte und einzige Münchner Vollzeit-Brauerei-Rösser an.

Noch ist ihr Arbeitsplatz eine Baustelle. Aber 2024 soll die gläserne Münchner-Kindl-Brauerei direkt an der A 995 in Betrieb gehen.

Besucher können den Brau-Prozess ganz verfolgen

Seit letztem Sommer ist der Bauherr und Gastronom Dietrich Sailer jeden Tag zusammen mit seinen Söhnen Luis und Leo dort und koordiniert die Bauarbeiten persönlich. Wo die AZ-Reporterin nicht viel mehr als Beton sieht, beschreibt Dietrich Sailer eine regelrechte Brauerei-Vision: "Das wird eine dreischiffige Basilika. Rechts kommt eine Gastronomie rein und links ein Getränkemarkt. Hier in der Mitte, wo wir gerade stehen, fahren die Lkw durch, um Bier zu holen."

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Bald soll das Dach kommen. Dann beginnen die Innenarbeiten.

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Vorfreude: Luis (l.), Dietrich und Leo Sailer sind jeden Tag auf der Münchner-Kindl-Baustelle.

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Fast wie im Deutschen Museum: die Dampf-Kältemaschine im Keller.

Aber nur bis mittags. Danach können die Gaststätten-Gäste auch auf der Fahrspur sitzen und Bier trinken. Von dort aus schauen sie in den Stall der beiden Brauerei-Rösser. Aber Benno und Robert können auch auf ihrer kleinen Koppel grasen. Daneben kommt ein kleiner Biergarten inklusive historischem Eis-Waggon - dem letzten in Bayern, wie Sailer betont. 1910 wurde damit noch kühles Bier via Bahngleis transportiert.

Den Getränkeshop betritt man als Kunde über einen begehbaren Kühlschrank. Dort packt man sich ein Holzfass in der passenden Größe (vom 10-Liter-Schusser bis zum 100-Liter-Baron) in den Einkaufswagen, auf Wunsch noch ein Stangeneis dazu, und dann schaut man auch schon direkt aufs Sudhaus inklusive Kupferkessel.

Durch runde Glasplatten im Boden wird der Gärkeller darunter sichtbar. "Man steht dann quasi direkt auf dem Schaum", erzählt Sailer. Seine Bier-Begeisterung will er unbedingt mit den Münchnern und auch den Touristen teilen. Jeden Bereich der Brauerei, jeden Schritt des gesamten Brauprozesses, macht er sichtbar - zum Teil sogar von der Straße aus. Innen gibt es viele Glaswände und -böden und sogar einen gläsernen Aufzug, dank dem auch Menschen mit Handicap die Brauerei besichtigen können.

Das Highlight im Keller steht schon: eine original Linde-Dampf- und Kältemaschine aus dem Jahr 1906. Die macht, kurz gesagt, aus Hitze Kälte, sprich Stangeneis. "So eine gibt's nicht mal im Deutschen Museum", erklärt Sailer stolz.

Ein kleines Museum ist natürlich auch in Planung. Zur Geschichte der Münchner-Kindl-Brauerei, die 1880 in Haidhausen gegründet und 1905 von Unionsbräu übernommen wurde. 1921 schluckte sie Löwenbräu und gab 2015 die Lizenzrechte schließlich an Sailer ab.

Lauscht man seinen euphorischen Beschreibungen, hat man die begehbare Brauerei fast schon vor Augen. In einer Wassergrotte können sich - wenn alles nach Plan läuft - die Gäste per Pump-rad 1000 Jahre altes Wasser aus dem 150 Meter tiefen Brunnen abpumpen. Einen solchen braucht es für ein original Münchner Helles. Allerdings steht die Genehmigung vom Wasserwirtschaftsamt noch aus.

Im Lagerkeller werden mannshohe historische Fässer wie ein Bühnenbild aufgebaut. An einem Zaun soll Hopfen hängen, an einer anderen Wand Gerste. "Bier ist dank Reinheitsgebot ein sehr ehrliches Produkt", erklärt Sailer. Außer Wasser, Hopfen, Malz und Hefe darf da nichts rein. Helles, Dunkles und Bockbier sollen hier gebraut werden und sonst nichts. Maximal 10 000 Hektoliter pro Jahr, mehr nicht: "Wir wollen klein und fein bleiben", verspricht Sailer.

Ein Liebhaberprojekt eben! Denn der Aufwand ist groß.