StVO-Neuerungen
Das sagen Kritiker zum Bußgeldkatalog 2020
28. April 2020, 19:06 Uhr aktualisiert am 28. April 2020, 19:26 Uhr
Seit Dienstag gelten im Rahmen des StVO-Bugeldkatalogs 2020 härtere Strafen für Raser, Falschparker und andere Verkehrssünder. Nicht alle sind darüber begeistert.
Die Opposition hatte sich zügig zu Wort gemeldet. So hatte etwa der FDP-Verkehrsexperte Oliver Luksic am Montag gegenüber dpa gesagt, dem neuen Bußgeldkatalog fehle es "teilweise an Maß und Mitte". Dass nun etwa schon ein Fahrverbot droht, wenn man außerorts einmal mit 26 Kilometern pro Stunde zu schnell erwischt wird, hält er für "praxisfern und überzogen".
Mehr Verhältnismäßigkeit bei den neuen Strafen wünscht sich auch Daniel Föst, der Landesvorsitzende der bayerischen FDP. "Bußgelder sind kein Selbstzweck, sondern sollen Menschen zu regelkonformem Verhalten im Straßenverkehr bewegen", sagt er. "Scharfe Sanktionen sind dort richtig, wo die körperliche Unversehrtheit gefährdet wird." Dass etwa das unerlaubte Befahren einer Rettungsgasse nun höher bestraft werde, finde er richtig: "Da geht es um Menschenleben." Hohe Geldstrafen für vergleichsweise kleine Ordnungswidrigkeit sind für Föst aber "reine Abzocke und untergraben das Vertrauen der Bürger in den Rechtsstaat."
Stefan Gelbhaar, der Verkehrsexperte der Grünen, begrüßte am Montag dagegen die Aufstockung der Bußgelder grundsätzlich, nannte sie aber "an vielen Stellen schlampig und unvollständig". Sicherheit für alle Verkehrsteilnehmer sei auch mit den neuen Regeln noch lange nicht Priorität, sagte er.
Auch für Markus Büchler, den verkehrspolitischen Sprecher des bayerischen Landesverbands der Grünen, enthält die StVO-Novelle "einige sehr sinnvolle Verbesserungen", vor allem für den Radverkehr. Man begrüße unter anderem den festgelegten Überholabstand für Fahrräder und die Erhöhung von Bußgeldern für zahlreiche Verstöße wie etwa das Parken auf Geh- und Radwegen. "Das sind Schritte in die richtige Richtung", betont er, "aber noch keine Grundlage für eine fußgänger- und fahrradfreundliche Mobilität." Die bayerischen Grünen würden sich beispielsweise innerorts eine flächendeckende Regelgeschwindigkeit von 30 km/h wünschen, außer auf Hauptverkehrsstraßen. "Die StVO folgt leider noch immer dem Primat der autogerechten Stadt", so Büchler weiter. "Die Flüssigkeit und Leichtigkeit des Autoverkehrs steht nach wie vor über allem."
"Kriegserklärung an das Auto"
Auch Verbände haben einiges an den neuen Regelungen zu kritisieren. ADAC-Verkehrspräsident Gerhard Hillebrand beklagte am Montag, dass Fahrverbote nun "unabhängig von der Gefährdungssituation und ohne ausreichende Differenzierung" ausgesprochen würden. Dieser Kritik schließt sich Alexander Kreipl, Verkehrs- und umweltpolitischer Sprecher des "ADAC Südbayern e.V.", weitestgehend an. "Das sehr unterschiedliche Gefährdungspotenzial beispielsweise von Lkws und Mopeds nicht mehr zu berücksichtigen, ist nicht sehr geschickt", sagt er im Gespräch mit idowa. Kreipl wünscht sich ebenfalls eine differenziertere Betrachtung: "Vorher hatten wir eine Einteilung in leichte, mittlere und grobe Verstöße je nach Unfallsituation", fügt er an. "Das fällt im neuen Katalog weg." Der ADAC-Sprecher findet, man hätte den Bußgeldkatalog "wenn dann in Gänze überarbeiten" müssen, anstatt nur einzelne Aspekte deutlich zu verschärfen.
Drastisch hatte am Montag der Automobilclub "Mobil in Deutschland e.V." seine Kritik an den StVO-Neuerungen formuliert: Einige der Maßnahmen seien eine "Führerschein-Vernichtungsmaschine", hieß es dort. Vereinssprecher Michael Haberland erklärt gegenüber idowa, was damit gemeint ist. "Einige der neuen Regeln sind absolut in Ordnung", sagt er. "Vor allem jene, die für mehr Sicherheit der Fahrradfahrer und Fußgänger sorgen." Aber besonders die Absenkung der Grenze, ab der bei Überschreitung der Höchstgeschwindigkeit mindestens ein Monat Fahrverbot verhängt werden kann, stößt Haberland sauer auf. "Das sind jetzt noch 21 km/h, wenn Sie also innerorts mit 55 in eine 30er-Zone fahren, die vielleicht gar nicht erkennbar ist, sind sie den Führerschein erstmal los", sagt er und fügt an: "Das ist eine Kriegserklärung an das Auto, es ist völlig überzogen."
Sein Verein rechne durch diese neue Regelung mit einer Million Führerscheinentzügen in diesem Jahr, was besonders im Angesicht der Coronavirus-Krise bedenklich sei: "Die Menschen verlieren reihenweise ihre Jobs und ihre Existenz - da sollten sie nicht auch noch ihre Führerscheine verlieren." Auch mit den bisherigen Regelungen sei die Zahl der Toten und Verletzten im Straßenverkehr niedrig wie nie zuvor, sagt Haberland und fragt: "Warum also muss man das so drastisch verschärfen, gerade jetzt?"
"Könnte eine lehrreiche Erfahrung sein"
Ganz anders sieht das Jürgen Kopp, der Vorsitzende des "Landesverbands Bayerischer Fahrlehrer e.V." (LBF). "Diese Verschärfungen sind in vielen Bereichen gerecht und notwendig", erklärt er idowa gegenüber. "Gerade, weil unsere Bußgelder im europäischen Vergleich noch immer sehr niedrig sind." Aus der Praxis heraus würde sich die Fahrlehrerschaft auf keinen Fall gegen die neuen Bußgelder aussprechen, denn "die Fahrschulen bewegen sich normalerweise sowieso als einzige im Rahmen der StVO." Dass vor allem überhöhte Geschwindigkeit jetzt schwerere Folgen haben kann, bewertet Kopp positiv. "Ich denke, das könnte eine lehrreiche Erfahrung sein, gerade für Raser und notorische Schnellfahrer." Denn in einer 30er-Zone 20 km/h zu schnell zu sein, sei eben kein Kavaliersdelikt, sondern sehr wohl schlimm - wie der bekannte Bremsweg-Test aus der Fahrschule immer wieder zeige.