Feuerwehr-Nachwuchs
"Das Ehrenamt spricht die Leute nicht mehr so an"
11. Mai 2018, 7:00 Uhr aktualisiert am 2. April 2023, 20:31 Uhr
Die Mitgliederzahlen der Freiwilligen Feuerwehren in Niederbayern und der Oberpfalz sind in den vergangenen Jahren zurückgegangen. Ein Überblick.
In der Oberpfalz gibt es laut den Zahlen des Bezirksfeuerwehrverbandes momentan 1.036 Feuerwehren mit insgesamt 44.465 aktiven Mitgliedern (Stand: 1.1.2018). In den letzten drei Jahren gingen die Zahlen allerdings kontinuierlich zurück - jährlich um etwa 1 bis 1,5 Prozent. "Noch nicht besorgniserregend, aber sinkend", sagt Fredi Weiß, der Vorsitzende des Bezirksfeuerwehrverbandes Oberpfalz. Ein ähnlicher Trend lässt sich auch in Niederbayern beobachten: Vor gut zehn Jahren zählte man hier noch über 50.000 aktive Feuerwehrmänner und -frauen, heute sind es noch etwas über 48.000. Dieter Schlegl, Vorsitzender des Bezirksfeuerwehrverbandes Niederbayern, will zwar noch nicht von einem "generellen Nachwuchsproblem" sprechen, betont aber auch: "Natürlich ist die Mitgliederzahl und Entwicklung jeweils sehr unterschiedlich. Und Nachwuchssorgen in einzelnen Wehren gibt es sehr wohl." Als Gründe dafür sieht er einerseits die demographische Entwicklung, andererseits aber auch "ein sich allgemein veränderndes gesellschaftliches Verhalten".
Das bestätigt auch Stephan Bachl, der Stadtbrandrat von Straubing. "Die Erwartungshaltung innerhalb der Gesellschaft wird immer größer", so Bachl. "Es muss für jedes Problem irgendjemanden geben, der mir dann weiterhilft. Gleichzeitig sind Menschen aber immer weniger bereit, für andere freiwillig etwas zu tun." Das beste Beispiel dafür sei laut Bachl der "Klassiker" vom vollgelaufenen Keller: "Früher hat man da halt Eimer und Putzlappen in die Hand genommen - heute wird die Feuerwehr schon gerufen, wenn das Wasser einen halben Zentimeter hoch steht. Unsere erste Prämisse ist, natürlich immer Menschen in Not zu helfen. Wenn dann aber der Meldende in seinem Wohnzimmer sitzt und fernsieht, während wir das Wasser in seinem Keller beseitigen, dann fragt man sich schon, ob das alles noch richtig läuft." In Straubing schlägt sich dieser Trend aber noch nicht in den Mitgliederzahlen nieder, im Gegenteil: Diese haben sich in den vergangenen Jahren kontinuierlich nach oben bewegt. Die Zahl der aktiven Feuerwehrmänner und -frauen hat mit 253 sogar einen Höchststand erreicht. "Erstaunlicherweise hat uns der Rathausbrand im Jahr 2016 doch einige Neumitglieder beschert", so Bachl.
Auch in Landshut hat man bisher noch keine Nachwuchssorgen: "Unsere Zahl der aktiven Mitglieder ist inklusive der Zahl der Anwärterinnen und Anwärter in den letzten Jahren nahezu gleich geblieben", so Dominik Zehatschek, Pressesprecher der FFW Landshut. Bisher konnte die Wehr Austritte immer ganz gut durch neu hinzugezogene Kameraden oder die Übernahme von Anwärtern aus der Jugendfeuerwehr kompensieren. Allerdings könne man laut Zehatschek auch in Landshut feststellen, dass junge Leute nach Abschluss der Schule öfter zum Studieren in andere Städte ziehen beziehungsweise längere Auslandsaufenthalte absolvieren würden. Viele würden zwar Mitglied der Feuerwehr bleiben, stünden aber in dieser Zeit nicht als Einsatzkräfte zur Verfügung. "Das war vor einigen Jahren noch nicht in diesen hohen Zahlen der Fall", so Zehatschek.
Im Raum Cham sind die Mitgliedszahlen der Freiwilligen Feuerwehren in den vergangenen Jahren zwar nicht besorgniserregend, aber doch kontinuierlich gesunken. Kreisbrandrat Michael Stahl spricht von einem jährlichen Rückgang der aktiven Mitglieder von etwa 1 bis 1,5 Prozent. Damit liegt der Landkreis Cham auf dem selben Niveau wie die Oberpfalz generell. "Das Ehrenamt spricht die Leute nicht mehr so an wie früher", sagt Michael Stahl. Ein Hauptgrund dafür sei die Umstellung der Arbeitswelt - viele Leute hätten heute kaum mehr Zeit neben dem Beruf. Darunter leide die Bereitschaft, sich ehrenamtlich zu engagieren. Im Jugendbereich seien die Zahlen im Landkreis Cham allerdings relativ stabil. "Man sieht also, das Interesse an der Feuerwehr ist durchaus noch da", so Stahl.