Bayern

Bringt's was? Das sagen die Anwohner zum Diesel-Fahrverbot

München hat Euro 4-Diesel ab dem Mittleren Ring verbannt. Merkt man davon überhaupt etwas? Ein Streifzug an zwei der großen Verkehrsadern.


Bernhard Eichner hält das Dieselfahrverbot für sinnlos. Weniger Verkehr gebe es seitdem nicht, sagt er.

Bernhard Eichner hält das Dieselfahrverbot für sinnlos. Weniger Verkehr gebe es seitdem nicht, sagt er.

Von Anna-Maria Salmen

München - Größer könnte der Kontrast kaum sein: Auf der Tegernseer Landstraße rauscht der Verkehr, drückender Abgasgeruch liegt in der Luft. Wer dagegen den kleinen Blumenladen von Herbert Schmalhofer betritt, ist schlagartig in einer anderen Welt. Der Raum ist erfüllt von leichtem Blumenduft, bis auf das Klingeln der Türglocke herrscht Ruhe. Obwohl seit rund zweieinhalb Wochen die erste Stufe des Dieselfahrverbots gilt, beobachtet der Florist vor seiner Ladentür immer noch täglich wahre Blechlawinen, erzählt er. Noch scheint die Maßnahme also nicht gegen die Verkehrslast zu helfen.

"In München müsste man eigentlich sowieso nicht mit dem Auto fahren", sagt Schmalhofer. Das Netz der öffentlichen Verkehrsmittel ist seiner Meinung nach gut genug ausgebaut. "Natürlich ist es nicht immer ganz optimal, aber wenn man sich daran gewöhnt, geht es gut." Schmalhofer selbst hatte früher zwei Autos, sagt er, mittlerweile besitzt er keines mehr. "Jeder hat es selbst in der Hand, weniger Auto zu fahren."

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Carola Mörtl muss wöchentlich Ruß am Fensterbrett abwischen.

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Herbert Schmalhofer sieht die Verkehrsmassen vor seiner Ladentür.

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Anna Soller betreibt den Sportladen Stumper. Dass durch das Dieselfahrverbot weniger Kunden kommen, glaubt sie nicht.

Das sieht auch Carmen Dullinger-Oßwald (Grüne) so, Chefin des Bezirksausschusses in Obergiesing-Fasangarten. Man könnte in der Innenstadt gut auf das Auto verzichten, auch ohne dass es Fahrverbote gebe, sagt sie. Aber die Bequemlichkeit hindere viele am Umstieg auf die öffentlichen Verkehrsmittel. Eigentlich ist Dullinger-Oßwald "kein Freund von Verboten". Aber ohne Einschränkungen ist das Ziel einer autofreien Innenstadt ihrer Ansicht nach wohl nur schwer zu erreichen. "Freiwilligkeit funktioniert offenbar nicht."

Die Einschränkungen durch das Dieselfahrverbot sind jedoch aus Dullinger-Oßwalds Sicht bisher auch noch nicht erfolgreich. Die Politikerin wohnt in der Feldmüllersiedlung unweit der Tegernseer Landstraße, ihre Spazierroute führt sie regelmäßig über den Mittleren Ring, wo sie den Verkehr gut beobachten kann. "Ich habe nicht das Gefühl, dass sich etwas geändert hat." Über die Gründe kann sie nur spekulieren: "Ich glaube, dass viele den alten Diesel eh schon längst ausgetauscht haben." Es sei schließlich absehbar gewesen, dass es Verbote geben werde. Sie selbst hat ihren alten Wagen vor zehn Jahren ausgetauscht, wie sie erzählt. "Vielleicht gibt es also gar nicht mehr so viele, die betroffen sind."

Ähnliche Automassen wie an der Tegernseer Landstraße rollen auch über die Kreuzung von Landshuter Allee und Nymphenburger Straße. Wie stark die Luftverschmutzung dort ist, wird für Carola Mörtl direkt sichtbar. Nach wie vor müsse sie jede Woche die äußeren Fensterbretter ihrer Geschäftsstelle vom dunklen Ruß befreien - daran habe das Dieselfahrverbot bisher nichts geändert, sagt die stellvertretende Geschäftsführerin des Stadtführungsveranstalters Stattreisen.

"Ich glaube, dass viele einfach das Risiko einer Strafe eingehen und trotz Verbot fahren. Oder sie denken, sie würden eh nicht kontrolliert werden." Wenn sie mit dem Auto ins Büro fahren würde, wäre Mörtl selbst betroffen, sollte im Oktober die zweite Stufe kommen. "Ich fahre aber sowieso mit dem Elektrorad."

Dass die Stadt versucht, mit dem Dieselfahrverbot etwas gegen die Luftverschmutzung zu tun, findet Mörtl eigener Aussage nach richtig. "Hier leben überall Familien mit Kindern. Da ist es doch schrecklich, wenn die Luft so schlecht ist."

Gleichzeitig sieht sie das Verbot nicht als Allheilmittel: Die Alternativen müssen stimmen, findet sie. "Für Radfahrer gibt es immer noch zu wenig Platz."

Auch Anna Hanusch (Grüne), Bezirksausschusschefin für Neuhausen-Nymphenburg, kann nur schwer die direkten Auswirkungen des Verbots einschätzen. Für die Politikerin ist die Maßnahme ebenfalls nur ein Schritt auf dem Weg zu besserer Luft. Im Kleinen könne man zum Beispiel versuchen, die Qualität durch mehr Grün an den Straßen zu steigern. "Aber letztendlich geht es natürlich darum, welche Autos fahren und wie viele. Ich hoffe, dass es langfristig weniger werden."

Ob das Dieselfahrverbot tatsächlich dazu beiträgt, die Automassen zu senken? Daran zweifelt auch Anna Soller. Direkt vor ihrem Sportladen Stumper fließt der Verkehr auf mehreren Ebenen dahin - auf der Landshuter Allee und darüber auf der Donnersbergerbrücke. "Wir haben hier eine der meistbefahrenen Straßen in der Stadt. Ich glaube nicht, dass sich daran jetzt etwas ändert."

Angst, dass ihr die Kundschaft ausbleibt, weil manche Autofahrer nicht mehr mit ihrem alten Dieselfahrzeug in die Innenstadt dürfen, hat Soller nicht. "Ich habe auch noch von niemandem gehört, dass er jetzt Probleme hatte, herzukommen." Immerhin ist direkt gegenüber eine Bushaltestelle, die S-Bahn fährt nur wenige hundert Meter entfernt ab.

Ähnlich sieht es auch die Mitarbeiterin eines kleinen Cafés in einer Seitenstraße nahe der Einmündung in die Landshuter Allee. "Hier kommen eher die Leute aus dem Eck her. Dass jemand mit dem Auto zu uns kommt, glaube ich nicht." Parken wäre sowieso schwierig, sagt die Mitarbeiterin und zeigt durch die Fensterscheibe. Tatsächlich sind alle Lücken vor dem kleinen Laden restlos voll.

Trotz Dieselfahrverbot sind noch zu viele Autos in der Stadt, findet auch Bernhard Eichner. Der Rentner ist an diesem Vormittag zu Fuß in der Schlörstraße unterwegs, von wo aus der Verkehr auf der wenige Meter entfernten Landshuter Allee noch deutlich zu hören ist. Das Dieselfahrverbot hält er für "völligen Blödsinn", sagt er. Weniger los sei auf den Straßen deswegen nicht, "es verlagert sich nur. Das hilft der Umwelt gar nicht und macht nur zusätzliche Arbeit für die Behörden und die Polizei."

Eichner schüttelt den Kopf und setzt seinen Spaziergang fort - von der relativen Ruhe der Seitenstraße hin zum Lärm auf der Allee.