Konjunktur
BIHK: Erwartungen der bayerischen Wirtschaft auf Rekordtief
26. Oktober 2022, 15:01 Uhr aktualisiert am 9. April 2023, 8:08 Uhr
Im Moment läuft es für die Unternehmen noch recht gut, aber mit Energiekrise, Inflation und Rezession stehen harte Zeiten bevor. Das zeigen aktuelle Umfragen des Industrie- und Handelskammertags und des Handwerks im Freistaat. Bei Investitionen und Stellen wird gekürzt.
Die Geschäftserwartungen der bayerischen Wirtschaft sind laut Industrie- und Handelskammertag "im freien Fall". Nach einer Unternehmensumfrage ist der BIHK-Konjunkturindex auf dem schlechtesten Wert seit Beginn der Corona-Krise im Frühjahr 2020. "Die miserable Stimmung beruht vor allem auf den massiv eingebrochenen Geschäftserwartungen. Mit minus 37 Punkten markieren sie ein absolutes Allzeittief", sagte BIHK-Hauptgeschäftsführer Manfred Gößl am Mittwoch.
"Wie gehen mit Sicherheit in eine Rezession", sagte er. "Es verwundert also nicht, dass die Betriebe ihre Investitionen und die Zahl ihrer Beschäftigten zurückfahren." Jedes fünfte Unternehmen wolle Stellen streichen. Die Kurzarbeit dürfte im Winter zunehmen.
Die Mehrheit der Unternehmen bewerte "die aktuelle Geschäftslage noch positiv, wenngleich schon seit einem Jahr mit rückläufiger Tendenz", sagte Gößl. Der Auftragsbestand in Industrie und Baugewerbe sei noch solide. Auch Tourismus, Handel und die Dienstleistungsbranche berichteten von derzeit weitgehend stabilen Umsätzen.
Aber über alle Branchen hinweg fehle den Unternehmen Kosten- und Planungssicherheit angesichts von Energiekrise, Inflation, brüchigen Lieferketten, Arbeitskräftemangel und Abkühlung der Weltwirtschaft. Investitionen würden zurückgefahren, "vor allem die Industrie tritt auf die Bremse". Die Sorge vor einer Abwärtsspirale wachse.
Auch das bayerische Handwerk befürchtet ein Ende der guten Jahre. Bei einer Umfrage des Handwerkstages bewerteten zwar über 80 Prozent der Betriebe ihre aktuelle Geschäftslage als weiterhin befriedigend oder sogar gut. Aber im Lebensmittelhandwerk erwarten 57 Prozent eine Verschlechterung, im Bauhauptgewerbe 41 Prozent - laut Handwerkskammer der höchste Anteil in der Branche seit 20 Jahren. Rund 17 Prozent der Bauunternehmen berichteten im September stornierte Aufträge. "Von einem Abkühlen bis zu einem regelrechten Einbruch der Baukonjunktur ist alles möglich", sagte Handwerkspräsident Franz Xaver Peteranderl.
Für das bayerische Handwerk erwartet der Verband dieses Jahr einen Umsatzanstieg etwa in Höhe der erwarteten Inflation. Die Zahl der Mitarbeiter sank bis Ende September auf 966.000. Auch die Investitionen waren geringer als vor einem Jahr.
BIHK-Präsident Klaus Josef Lutz forderte von der Politik, "schnell realistische Strategien für die Energiesicherheit Deutschlands". Der Wirtschaftspolitik fehle der rote Faden, die Energiepolitik sei dilettantisch, es herrsche "Flickschusterei" mit Denkverboten bei Atomkraft und Frackinggas. Bürokratie bremse den Ausbau erneuerbarer Energien ebenso wie die Verkehrsinfrastruktur und den Wohnbau: "Mehr Flexibilität ist das Gebot der Stunde." Zusätzliche Lasten für die Wirtschaft seien zu vermeiden, etwa mit dem Energieeffizienzgesetz und dem Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz. "Neue Freihandelsabkommen mit den USA und Australien wären ein starkes Signal der Hoffnung für die Wirtschaft", sagte Lutz: Offene Märkte würden den Unternehmen die Diversifizierung ihrer Bezugsquellen erleichtern.